Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott
brachen in schallendes Gelächter aus, in das nach und nach alle anderen Götter und Dämonen in den Reihen einfielen.
Apophis krümmte sich vor Wut.
»Wir werden dir den Prozess machen, Apophis. Aber keine Sorge, er wird nicht lange dauern«, sagte Toth. »Anubis ist der Ankläger.«
Dieser erhob sich sofort. »Götter und Dämonen Ägyptens! Ihr alle wisst, was Apophis verbrochen hat. An seiner Schuld besteht kein Zweifel. Unser Gesetz kennt für solche Verbrechen nur zwei Strafen – Auslöschung oder Verbannung.«
»Werft ihn den Seth-Tieren vor!«, erscholl es aus der Menge.
Der Schlangendämon zitterte. Das erste Mal, seit er existierte, fürchtete er um sein Leben.
»Als erster Ankläger der Götter fordere ich den Tod für diesen nichtswürdigen Wurm!« Anubis sah hier die Chance für seine persönliche Rache. Er hasste es wirklich, wenn man ihn mit einem Hund verglich.
»Tötet ihn! Vernichtet ihn!« Die Menge war sich einig.
Nach einiger Zeit des Geschreis und Gebrülls erhob sich Osiris und sprach zum ersten Mal seit langer, langer Zeit. »Selbst wenn die Seth-Tiere ihn zermalmen, er würde wiederkehren. So wie alle Götter und Dämonen immer wiederkehren seit Anbeginn der Zeit. Keiner von uns kann endgültig ausgelöscht werden. So sehr ich auch Apophis einen Ausflug durch die Kiefer und den Verdauungstrakt der Seth-Tiere gönne, scheint mir die Verbannung doch viel schlimmer für ihn zu sein. Schicken wir ihn zu den Völkern jenseits der östlichen Wüste. Sopdu, der Falkengott und Herr der Fremdländer, soll darüber wachen, dass Apophis nie mehr nach Ägypten zurückkehren kann. Überlassen wir ihn dem Schicksal in der Fremde. Mögen sie Apophis dort als Dämon oder als Gott fürchten, seine Zeit in Ägypten ist für immer abgelaufen.«
Anubis wollte widersprechen, zögerte aber und schwieg.
Osiris war schlau und gerissen und trotz seines Götterstatus immer noch ein Ägypter aus vollem Herzen. Indem er Apophis nach Asien verbannte, schuf er nicht nur Ruhe im eigenen Land, er strafte damit auch die aufmüpfigen Stämme und Völker in Kanaan und Mesopotamien, die Hyksos, Hethiter und Assyrier. Deshalb sagte der Totengott: »Ich stimme zu. So sei es.«
Damit war das Urteil rechtskräftig. Alle Götter des Obersten Rats führten gleichzeitig eine Bewegung mit ihren Zeptern aus, und Apophis verschwand lautlos aus der Gerichtshalle.
Isis erhob sich. »Wir haben beschlossen, Nehebkau, Mahes und Meresger nicht zu bestrafen, wenn sie helfen, den Schaden wieder gutzumachen. Denn nun wartet eine sehr schwierige Aufgabe auf uns. Wir müssen die Folgen von Apophis’ schändlicher Tat rückgängig machen. Das ist die größte Aufgabe, die wir Götter Ägyptens je lösen mussten.«
Als die Sonne gegen Mittag schließlich doch über Sauti aufging, blinzelte der alte Hahn verärgert zum Horizont. Anscheinend konnte man sich wirklich auf nichts mehr verlassen. Er überlegte kurz, ob er wegen der besonderen Umstände eine Sonderschicht einlegen sollte, also ein zweites Mal krähen. Aber dann dachte er sich, ich habe pünktlich wie immer gekräht, und basta! Er war eben wirklich ein Hahn mit Prinzipien.
Die Sonne brachte für die Menschen in Sauti das ganze Ausmaß der Katastrophe ans Licht. Nicht nur, dass all ihre Erstgeborenen tot in den Häusern lagen, auch beim Vieh in den Ställen und auf den Weiden hatte der Tod reichlich Ernte gehalten. Die ganze Stadt erfüllte sich mit solchem Wehklagen, dass Kalala sich die Ohren zuhielt.
Der verspätete Sonnenaufgang stimmte die Tajarim freudig, und sie versammelten sich in der Mitte des Lagers. Seshmosis sandte Kundschafter in die Stadt, und als diese mit den Schreckensbotschaften zurückkehrten, dankten die Tajarim ihrem Gott, dass er sie beschützt habe. Seshmosis gesellschaftliches Ansehen stieg enorm, und er schlenderte mit stolz geschwellter Brust durchs Lager, als wäre er höchstpersönlich der Beschützer des Stammes.
Die Stimme in seinem Zelt holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. »Es ist noch nicht vorbei. Ganz im Gegenteil, für euch geht es jetzt erst richtig los. Die Menschen in Ägypten werden Schuldige suchen. Und ihr seid ausgezeichnete Schuldige. Es ist sozusagen das, was ihr am allerbesten könnt: schuldig sein.«
Ungläubig blickte Seshmosis auf die winzige Ziege in seinem Zelt. Zweifellos hatte sie gesprochen, und genauso zweifellos handelte es sich um seinen Gott.
»Warum um Himmels und deiner selbst willen
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