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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Als die Passagiere von Bord gingen, begrüßte Odysseus die Tajarim.
    »Und wieder einmal begegnen wir uns an einer Küste.«
    »Und wieder einmal wissen wir nicht, wo wir sind, Fürst von Ithaka. Selbst die neuen Augen unseres Schiffs konnten uns den Weg nicht weisen«, entgegnete Seshmosis.
    »Auch die Augen unserer Schiffe haben uns diesmal im Stich gelassen«, gab Odysseus zu.
    Seshmosis erinnerte sich an dessen Spottrede am Strand der Troas und fragte ironisch: »Soll das heißen, die unfehlbaren Achäer haben sich verirrt?«
    »Nein«, widersprach Odysseus. »Wir haben uns natürlich nicht verirrt. Wir können nur derzeit nicht feststellen, wo genau wir uns befinden.«
    In diesem Augenblick kam ein merkwürdig gekleideter junger Mann aus dem Wald auf den Strand zu. Er war in ein grellbuntes Gewand gehüllt und trug Blumen im Haar.
    Mit tänzelnden Schritten näherte er sich und rief: »Friede! Friede! Seid willkommen bei den Kindern des Lotos! Folgt mir in unser Dorf!«
    Odysseus zog sein Schwert. »Das ist sicher einer der Kerle, die meine Männer festhalten! Ich habe das Vorrecht, ihn zu erschlagen, es geht um meine Leute!«, brüllte er den staunenden Tajarim zu.
    »Liebe Freunde, legt eure schrecklichen Waffen nieder und folgt mir in unser Dorf. Wir Lotoskinder leben mit allem und jedem in Frieden. Macht Liebe, keinen Krieg! Friede!«, ermunterte der junge Mann sie lächelnd.
    Odysseus flüsterte mit einigen seiner Männer, und Seshmosis besprach sich mit den Tajarim und den phönizischen Seeleuten.
    Dann folgten der Achäer mit sechs seiner Krieger und Seshmosis mit Nostr'tut-Amus dem jungen Mann durch den dichten Wald. Nach etwa einer Stunde erreichten sie eine kleine Siedlung inmitten einer Lichtung.
    Seshmosis fiel auf, dass alle Bewohner junge Menschen waren. Bekleidet waren sie mit Tüchern, die alle Farben des Regenbogens spiegelten, und alle sahen auf eine merkwürdige Weise glücklich aus. Die Mädchen und Frauen waren durchweg spärlich bekleidet, trugen Blumen im Haar und warfen Seshmosis eindeutige Blicke zu, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieben.
    Plötzlich entdeckte Odysseus seine drei Kundschafter. Sie saßen unter einem Baum und lächelten selig vor sich hin. Der Fürst rannte zu ihnen, packte einen seiner Männer an den Schultern und rüttelte ihn. Doch der blickte ihn nur geistesabwesend wie ein Traumwandler an und erkannte ihn nicht.
    »Was habt ihr mit meinen Männern gemacht?«, brüllte Odysseus.
    Der junge Mann, der sie hierhergeführt hatte, antwortete: »Wir haben sie als Gäste behandelt und die Früchte des Lotos mit ihnen geteilt. Seht, wie glücklich sie sind!«
    Er reichte ihnen einige der olivenartigen Früchte zum Empfang.
    Nostr'tut-Amus nahm eine davon und betrachtete sie eingehend. Dann leckte er daran. »Süß wie Honig und Rosinen. Ich kenne diese Köstlichkeiten. Sie bescheren wunderbare Träume, und wer davon kostet, will sich sein Leben lang diesem Genuss hingeben. Auf Kreta braut man daraus den Trank des Vergessens.«
    »Ihr habt meine Männer unter Drogen gesetzt!«, empörte sich Odysseus lautstark.
    Ein großer, kräftiger Mann, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, trat auf einmal hinzu. Er trug einen dichten, schwarzen Vollbart und war mit Abstand der Älteste der Gemeinschaft, den sie hier bisher zu Gesicht bekommen hatten. Seine Gesichtszüge waren hart wie die eines Kriegers und sein Blick, im Gegensatz zu den anderen Dorfbewohnern, nicht verschleiert, sondern klar und durchdringend.
    »Gemach, gemach, Fremder! Bitte stört nicht den Frieden unserer Insel! Wir leben hier, wie es uns gefällt, und dazu gehört der Genuss dieser wundervollen Früchte.
    Denn wir wollen vergessen! Wir wollen vergessen, dass dort draußen ein ständiger Krieg tobt, der unsere Liebsten verschlungen und den Besitz unserer Väter verwüstet hat. Wir wollen vergessen, dass einige von uns in diesem unsinnigen Krieg gekämpft haben und schwer verwundet wurden. Ich selbst habe meine Herkunft und meinen Namen vergessen und nenne mich nun Pflücker, weil ich keinen anderen Namen mehr brauche. Wer hierherkommt, will mit der Welt des Krieges nichts mehr zu tun haben. Wir nehmen uns die Freiheit, so zu leben, wie es uns gefällt!«
    Odysseus überlegte kurz und entschied sich dann aber schweren Herzens gegen ein sofortiges Blutbad. Stattdessen wandte er sich wieder seinen Männern zu und versuchte energisch deren Erinnerung zu wecken. Doch sie wussten nichts mehr von Odysseus

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