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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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wirklich Schatten sein werden! Sag ihnen, dass sie bereits tot sind, weil die Söhne des Telos furchtbare Rache nehmen werden!«
    Nefer nickte in stummem Entsetzen. Als die beiden schwarzen Gestalten seinen Laden verließen, waren der Ring und das Rollsiegel vom Tisch verschwunden. Nefer befühlte seinen schmerzenden Kehlkopf. Aus einem kleinen Schnitt drang etwas Blut.
     
    *
     
    Seshmosis saß in seinem Zimmer und betrachtete eingehend das Amulett. Es trug beidseitig unbekannte Schriftzeichen, die spiralförmig von außen nach innen verliefen.
    Der Schreiber hatte fünfundvierzig verschiedene Bildzeichen gezählt, von denen ihm einige vertraut, andere fremd erschienen. Das Zeichen Fisch, das auf der einen Seite viermal zu erkennen war, auf der anderen nur zweimal, erinnerte Seshmosis an die letzte Materialisation von GON. Er überlegte, ob ein Zusammenhang zwischen dem Amulett und der Fisch-Erscheinung des kleinen Gottes bestehen könnte.
    Seit seiner Rückkehr von der Versammlung hatte Seshmosis GON mehrfach angerufen, doch keine Antwort erhalten. GON weigerte sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund zu erscheinen. Seshmosis nutzte die Zeit, sich intensiv mit dem geheimnisvollen Amulett zu beschäftigen. Seit seiner Kindheit in der Schreibstube seines Vaters Sesh hatten Schriftzeichen den Mittelpunkt seines Lebens gebildet. Während die anderen Kinder gespielt hatten, hatte Seshmosis Hieroglyphen auf Wachstäfelchen nach Einlaut-, Begriffs- und Deutzeichen sortiert. Die Zeit, in der später seine Altersgenossen das andere Geschlecht erkundet hatten, hatte er damit verbracht, in die Geheimnisse der assyrischen Keilschrift einzudringen. Denn zu Seshmosis' Leidwesen hatte sein Vater die Kenntnisse dieser internationalen Schrift für wichtiger als pubertäre Erkundungen erachtet. Immerhin verfasste man die gesamte diplomatische Korrespondenz und alle internationalen Verträge der zivilisierten Welt mit den spitzen Kratzern aus Mesopotamien.
    Hier in Byblos hatte Seshmosis eine völlig neue Art zu schreiben kennen gelernt – das Alphabet der Phönizier. Mit dieser Schrift benötigte man nicht mehr Hunderte von verschiedenen Zeichen, sondern konnte alle erdenklichen Worte und Inhalte mit weniger als dreißig Buchstaben zusammenstellen. Mit Feuereifer hatte sich Seshmosis diese neue Errungenschaft angeeignet und übertrug nun nach und nach all seine Aufzeichnungen in Alphabetschrift.
    Es klopfte an der Tür, und während Seshmosis »Herein!« rief, ließ er das Amulett rasch in einer Tasche seines Gewands verschwinden.
    Ungewöhnlich zaghaft betrat Raffim den Raum und sah sich vorsichtig um.
    Seshmosis ergriff die Initiative: »Hat dich dein schlechtes Gewissen hergetrieben?«
    »Nein, meine Bauchschmerzen«, antwortete der Dicke.
    »Bei GON, das ist erst der Anfang. Wo sind die Rollen? Ich sehe sie nicht.«
    »Ich würde sie dir wirklich gern zurückbringen, Seshmosis, aber da gibt es ein kleines Problem. Beim besten Willen, ich weiß nicht, wo sich die Rollen im Augenblick befinden. GON ist mein Zeuge!«
    »Bevor du in lästerlicher Weise einen Gott anrufst, der dir nichts bedeutet, nimm lieber Platz und erzähle mir die ganze Wahrheit! Warum hast du die Rollen gestohlen, und wem hast du sie verkauft?«
    »Ich will aufrichtig sein, Seshmosis. Ja, ich habe die Rollen gestohlen. Aber du musst verstehen, ich konnte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Derzeit gehen religiöse Schriften unheimlich gut, Religionsstiftungen erleben nämlich international einen regelrechten Boom. Allein für den Papyrus Die Große Flut habe ich Käufer aus Babylon, Assyrien, Hatti und Samaria. Sogar aus Timna auf dem Sinai stammt eine Interessentin. Alle möchten unbedingt eine Sintflut in ihrer Geschichte der Welt vorkommen lassen. Die Schöpfungsgeschichte und Die Tafel der Väter sind auch sehr beliebt. Jeder möchte schließlich wissen, wie seine Welt entstanden ist und von wem er abstammt.«
    »Aber du hast jeweils nur eine Ausfertigung. Wie willst du das Problem lösen?«
    Raffim grinste. »Es gibt Schreiber, Seshmosis. Die machen mir für ein paar Kupfermünzen wunderbare Kopien.«
    Seshmosis war entsetzt. »Du treibst Handel mit den heiligsten Überlieferungen unseres Volkes und verkaufst sie an andere, damit sie unsere Erinnerungen zu den ihren machen? Das ist einfach widerlich! Du bist verkommener, als ich dachte. Aber vor allem, wo sind unsere Heiligen Rollen jetzt?«
    »Das ist ja mein Problem. Eigentlich sollten sie

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