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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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die Höhle erhellt wurde, ein Zeichen dafür, wie wohlhabend die Schmuggler waren.
    Ich sah seltsame Gestalten, Männer mit Pferdeleibern, einen Mann mit den Hörnern einer Kuh und etwas, das wie eine geflügelte Schlange aussah. Dazwischen standen römische Zahlen und einzelne Worte, die so verwittert waren, dass ich sie nicht lesen konnte.
    Wie alt das wohl ist?, dachte ich. Bestimmt viel älter als ich, älter als Mutter, ihre Mutter und deren Mutter zusammen, vielleicht sogar älter als die Mauern Coellens.
    Es beruhigte mich, dass sie da waren und noch da sein würden, wenn es mich schon längst nicht mehr gab.
    »Ketlin?«
    Ich öffnete die Augen und blinzelte. Eine Silhouette zeichnete sich auf der anderen Seite des Vorhangs ab.
    »Schläfst du?«, fragte Richard.
    »Nein.« Ich setzte mich auf. In der Höhle wusste man nicht, ob es Tag oder Nacht war. Es fiel mir schwer zu schätzen, wie lange ich geschlafen hatte.
    »Ich könnte deine Hilfe gebrauchen.«
    »Natürlich.« Ich nahm meinen Umhang, gähnte und streckte mich. Dann zog ich den Vorhang zurück. Überrascht sah ich Richard an, war im ersten Moment so verwirrt, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
    Richard hatte sich umgezogen. Er trug rotbraune Samthosen und Stiefel aus weichem Ziegenleder. Die Samtweste über seinem weißen Hemd war mit Goldfäden verziert, von dem Hut, der schräg auf seinem Kopf saß, hing eine Fasanenfeder. Wären die Tätowierungen in seinem Gesicht nicht gewesen, hätte man ihn für einen Adeligen auf einem Jagdausflug halten können.
    »Zu viel?«, fragte er, als er meinen Blick sah.
    Ich sammelte mich. »Nein … nein, ganz und gar nicht. Du siehst …«, ich suchte nach dem richtigen Wort, »… edel aus. Als wärest du für diese Kleidung geboren.«
    Das Kompliment gefiel ihm sichtlich. »Gut. Hinten im Herrenhaus liegt auch Kleidung für dich. Ich hoffe, sie passt.« Er bemerkte meine Verwirrung. »Zieh dich um. Ich erkläre dir alles auf dem Weg.«
    Ich fragte nicht weiter nach, sondern verließ meine Schlafstätte und ging durch den schmalen Gang zum sogenannten Herrenhaus. Ich war noch nie dort gewesen, und es überraschte mich, wie groß die Höhle war. An der rechten Wand stapelten sich Kisten und Stoffballen, an der linken standen einige Schränke und ein Regal. Felle lagen auf dem Steinboden, an der Rückwand des Raums sah ich zwei Schlafstätten, die durch ein hüfthohes steinernes Becken voneinander getrennt waren. In jeder befand sich ein Bett mit Decken und Fellen. Ich begriff auf einmal, weshalb niemand so recht zu sagen wusste, ob Richard und Czyne ein Paar waren. Zumindest dieser Raum gab keinen Aufschluss darüber.
    Auf einem der Betten saß Czyne, barfuß und mit übereinandergeschlagenen Beinen, auf dem anderen lag Kleidung, die der von Richard in nichts nachstand. Ein bodenlanges grünes Samtkleid mit weiten goldbestickten Ärmeln, ein Ledergürtel, weiche Stiefel, Handschuhe und ein fellbesetzter Umhang. Ein gefaltetes Unterkleid, ein seidenes weißes Gebende und ein silberner Kopfreif lagen daneben auf einem kleinen Hocker.
    »Gefällt es dir?«, fragte Czyne.
    Ich nickte. »Es ist wunderschön.«
    »Ein Ratsherr hat uns damit bezahlt, als ihm das Geld ausging. Es war für mich gedacht, aber ich habe selten Gelegenheit, so etwas zu tragen.« Sie stand auf. »Zieh es an.«
    Ich wartete darauf, dass sie den Vorhang zuziehen oder sich abwenden würde, aber sie tat es nicht, hockte stattdessen nur da und sah mich abwartend an. Es widerstrebte mir, mich vor ihr auszuziehen, doch ich wagte auch nicht, etwas zu sagen.
    Zögernd knotete ich meine Schürze auf und faltete sie sorgfältig zusammen, um Zeit zu schinden. Den Gürtel rollte ich auf. Sandalen und Hemd folgten, dann der Rock, sodass ich nur noch das Unterkleid trug.
    »Richard hat dich nie erwähnt«, sagte Czyne, als wäre es ganz normal, einer anderen Frau beim Ausziehen zuzusehen. Vielleicht war es das in ihrer Welt sogar.
    »Es gab nichts zu erwähnen.« Ich breitete das frische Unterkleid so auf dem Bett aus, dass ich direkt hineinschlüpfen konnte, und zog mein altes rasch über den Kopf.
    »Warum sagst du das?«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Czyne mich musterte. Ich errötete und griff nach dem neuen, viel weicheren Unterkleid.
    »Weil«, begann ich, während ich hineinschlüpfte und mit den Ärmeln kämpfte, »ich und er, weil wir …« Es fiel mir schwer, mich auf die Antwort zu konzentrieren. Ich spürte die kühle Brise auf

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