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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gut.«
    Czyne sah auf. »Werdet ihr uns dann verlassen?«
    Ihr Blick zuckte plötzlich zu Richard, so als habe er sie unter dem Tisch getreten.
    Ich nickte. »Jacob kann bei einem Arzt in Konstantinopel in die Lehre gehen. Für ihn erfüllt sich der größte Wunsch seines Lebens.«
    »Und deine Mutter bekommt doch noch, was sie wollte«, sagte Richard. »Eine Tochter vom höheren Stand.«
    Seine Worte klangen wie eine Anklage. »Darum geht es mir nicht.«
    »Ich weiß.« Richard tauchte ein Stück Brot in den Eintopf. »So habe ich das auch nicht gemeint.«
    Die Stimmung am Tisch war seltsam. Die Schmuggler lachten und tranken wie beinahe jeden Abend, nur Richard und ich rangen uns jedes Wort ab. Czyne beobachtete uns aus den Augenwinkeln, während sie so tat, als würde sie Georgs Schauergeschichten lauschen. Ich war froh, als ich meinen Weinkrug geleert hatte und aufstehen konnte.
    »Gute Nacht«, sagte ich.
    »Gute Nacht.«
    Ich spürte Richards Blick in meinem Rücken. Ich war mir sicher, dass er mir nachsah, weil er wissen wollte, zu welcher der beiden Schlafstätten ich gehen würde. Ich suchte meine auf und zog den Vorhang hinter mir zu.
    Jacobs Handschuhe lagen immer noch auf meinem Hocker. Ränder aus salzigem, längst getrocknetem Schweiß hatten sich an den Fingern gebildet.
    Er hat wegen der Wärme geschwitzt, dachte ich, als ich mich hinlegte. Und er ist blass, weil die Reise anstrengend war. Nichts weiter .
    Nach und nach wurde es draußen stiller. Irgendwann hörte ich nur noch Georgs und Pauls Stimmen, dann verstummten auch sie. Ich lag auf meiner Matratze, die Hände unter dem Kopf verschränkt. In der Höhle wurden die Lampen nie gelöscht, der Schmuggel brachte genug ein, dass man sich diesen Luxus erlauben konnte.
    Nur ein Vorhang trennte meine Schlafstätte von Jacobs. Ich lauschte auf seinen Atem und das Knistern des Strohs, wenn er sich umdrehte. Er schlief unruhig, stöhnte ab und zu oder murmelte kurze Sätze, die ich nicht verstand.
    Es ist nichts, dachte ich immer wieder. Gar nichts.
    Gegen Morgen begann er zu husten.
    Ich sprang auf, wusste einen Moment lang nicht, ob ich das Husten wirklich gehört oder vielleicht nur geträumt hatte. Doch dann hustete er ein zweites Mal, ein tiefes, keuchendes Geräusch, das mich zusammenzucken ließ.
    »Jacob?«
    Ich verließ meine Schlafstätte und blieb am zugezogenen Vorhang seiner stehen.
    »Jacob?«, fragte ich erneut.
    »Ja?« Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen.
    Ich sah mich kurz um, aber die anderen schliefen noch. Es war still in der Höhle. Ich öffnete den Vorhang nur ein Stück, dann schlüpfte ich in den behelfsmäßigen Raum.
    Jacob lag auf der Seite, die Beine angezogen, eingewickelt in seinen Umhang und zwei Decken. Trotzdem sah ich, dass seine Hände zitterten.
    »Komm nicht näher«, sagte er heiser. »Abdullah glaubt, dass die Kranken die Gesunden anstecken.«
    Ich ignorierte seine Bitte. In meinem Magen schienen Eisbrocken zu liegen. Mir war übel.
    Jacob versuchte sich wegzudrehen, als ich meine Hand auf seine schweißnasse Stirn legte. Sie war heiß. Unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet.
    »Bitte geh, bitte. Ich will nicht, dass du auch …« Husten unterbrach ihn.
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Da war etwas in mir, das ich noch nie zuvor gespürt hatte, etwas, das mir Ruhe gab.
    »Du musst trinken und die verschwitzte Kleidung wechseln«, sagte ich. »Danach wirst du dich schon besser fühlen.«
    Jacob drehte sich auf den Rücken und hob den Kopf. »Ich will nicht, dass du krank wirst, verstehst du?« Es kostete ihn sichtlich Kraft, so klar und deutlich zu sprechen. »Wir haben beide gesehen, was die Seuche …«
    Dieses Mal war ich es, die ihn unterbrach. »Du weißt nicht, ob du die Seuche hast. Vielleicht hast du dich nur auf der Reise verkühlt.«
    »Du wirst dein Leben nicht für ein Vielleicht aufs Spiel setzen. Bring mir Wasser, heißes Bier, etwas zum Anziehen und Handtücher. Stell alles neben dem Bett ab und geh wieder.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Bitte«, sagte Jacob. »Ich würde es nicht ertragen, wenn ich dich … Wenn ich es nicht schon habe. Gestern dachte ich noch, die Kopfschmerzen, die Erschöpfung lägen an der Reise, aber als wir sprachen, fühlte ich, wie die Seuche durch meinen Körper kroch und …« Er fuhr sich mit zitternden Händen durch die Haare. »Tu mir das nicht an, Ketlin.«
    Ich sah die Verzweiflung in seinem Gesicht. Es brach mir fast das Herz. Ich

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