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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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nach unten.«
    Ich schien für ihn Luft zu sein. Dennoch folgte ich ihm und Richard in die Höhle.
    »Es fing gestern Morgen an«, sagte er, während er die Bandagen vorsichtig von Richards Arm entfernte, »und seitdem reißt der Strom nicht mehr ab. Einer aus der ersten Gruppe der Kranken hat überlebt, und ich nehme an, dass …«
    Ich unterbrach ihn. »Wer war es?«
    Direkt von mir angesprochen, reagierte er dann doch auf mich und antwortete: »Der junge Mann, der mit uns gescherzt hat.«
    »Das freut mich«, sagte ich ehrlich.
    »Jedenfalls«, fuhr Jacob fort, »hat sich offenbar herumgesprochen, dass wir ihn geheilt haben, und das Ergebnis seht ihr oben.«
    »Bezahlen sie uns?« Richard betrachtete besorgt seinen Arm. Die Wunde hatte sich offenbar nicht entzündet, aber sie war tief.
    »Dythmar versucht, ihnen Geld abzunehmen, aber die meisten sind so arm, dass sie nicht einmal einen Pfennig zusammenkratzen können.« Jacob betrachtete die Wunde im Licht der Öllampen. »Das sieht schlimmer aus, als es ist. Abdullah hat mir gezeigt, wie man Wunden näht. Ich hole nur eben meine Aufzeichnungen.«
    »Bleib ruhig hier«, sagte ich. »Ich kann sie auch holen.«
    »Nein.« Das Wort klang hart. Jacob wandte sich ab und ging zu seiner Schlafstatt.
    Ich sah ihm nach und schüttelte den Kopf. »Was soll das denn jetzt?«
    »Rede mit ihm, dann weißt du es.« Richard seufzte und deutete mit dem Kinn auf den Tisch, an dem ein paar der Schmuggler saßen, diejenigen, die zu so früher Stunde schon auf den Beinen waren, und frühstückten. »Ich überbringe ihnen währenddessen die schlechten Nachrichten.«
    Am liebsten hätte ich mich auf mein Strohlager gelegt, aber ich hätte keinen Schlaf gefunden, solange ich nicht mit Jacob gesprochen hatte. Also stellte ich ihn zur Rede, als er mit zwei Pergamentseiten zurückkehrte.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Jacob ging nicht auf die Frage ein. »Was macht Richard denn da hinten?«
    »Er sagt den anderen, dass Paul tot ist.«
    »Paul ist tot?« Jacob wirkte schockiert.
    »Ja, wir bekamen es mit Plünderern zu tun und …«
    Er unterbrach mich. »War das deine Rache für Maastricht?« Seine Stimme zitterte vor Wut. »Oder war es die Antwort auf meine Frage?«
    Ich verstand nicht, was er meinte, aber er fuhr fort, bevor ich etwas sagen konnte.
    »Ich habe dich gebeten, mir endlich zu sagen, was du willst. Daraufhin verschwindest du mit Richard, ohne mir ein Wort zu sagen!« Sein Adamsapfel hüpfte in seiner Kehle auf und ab. »Ich wusste weder, wo du warst, noch ob du jemals zurückkommen würdest. Du hast mich alleingelassen, Ketlin, mit den Kranken, mit meiner Angst um dich und … Wenn Agnes nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, wie ich die letzten zwei Tage durchgestanden hätte. Eine wildfremde Frau, doch sie hat sich mehr um mich gesorgt als du!«
    Dass er recht hatte, machte mich wütend. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich bei ihm entschuldigt, doch stattdessen hielt ich ihm vor: »Ich habe nichts anderes getan als du! Jetzt weißt du, wie man sich dann fühlt.« Bevor Jacob antworten konnte, drehte ich mich um und ging davon.
    »Wo willst du hin?«, rief er mir hinterher.
    »Das geht dich nichts an.«
    »Du wirst hier gebraucht!«
    Der Ruf verhallte hinter mir. Ich kletterte die Leiter nach oben, bahnte mir einen Weg durch die Menschen und lief in die Gassen hinein, bis ich nichts mehr von ihnen sah und hörte. Wut brannte in mir, heiß wie ein Feuer. Ich achtete nicht darauf, wohin mich meine Schritte führten. Tränen liefen mir über die Wangen, Gedanken schossen mir durch den Kopf und verschwanden, ohne dass ich sie halten konnte. Erst als ich atemlos und mit schmerzenden Beinen auf dem Domplatz stand, wurde mir klar, dass ich floh. Nicht vor Jacob, nicht vor Richard, nicht vor der Seuche, sondern vor mir selbst.
    Die Erkenntnis goss Wasser auf das Feuer in mir. Auf einmal wurde ich ruhig. Die Wut – die Wut auf mich, nicht auf Jacob – verlosch und hinterließ nichts als Trauer.
    Ich hatte so viel falsch gemacht, so viel von anderen verlangt, ohne ihnen zuzuhören. Wenn mir jemand die Wahrheit sagte, hatte ich ihm die Schuld für meine Fehler gegeben. Und nun hatte ich auch noch Jacob weggestoßen.
    Ich werde ihn verlieren, dachte ich. Aber das will ich nicht.
    Eine Stimme, die ich kannte, riss mich aus meinen Gedanken.
    »Die Faust Gottes trifft uns alle mit gleicher Härte!«, rief Erasmus. »Nur durch unsere Demut werden wir den Zorn

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