Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
auch Jupp damals in die Bauerntochter Hanna verliebt gewesen war, doch Josef hatte sie bekommen, weil sein Hof größer war und Hannas Vater ihn für die bessere Partie gehalten hatte. Aber viele im Dorf glaubten bis heute, dass Josef Hanna mit seiner herrischen, kalten Art in den Tod getrieben hatte. Jupp hatte schließlich Hannas jüngere Schwester Anne geheiratet.
    Josef stützte beide Hände auf die Lehnen seines Stuhls. Es sah aus, als wollte er Jupp anspringen. »Erst ist es ein wenig Gras für die Ochsen, und dann klauen sie uns die Hühner aus den Ställen und die Mädchen aus den Betten. Ich weiß, wie solches Volk denkt, glaub mir.«
    Zwischen den Schultern zweier Männer hindurch betrachtete ich ihn, suchte nach einem Anflug von schlechtem Gewissen in seinem Gesicht oder zumindest Verlegenheit. Doch ich fand nur Wut. Ich verstand nicht, wie jemand, der die – ich suchte nach dem richtigen Wort – Dienste einer Gauklerin in Anspruch genommen hatte, sich schon am nächsten Tag so voller Verachtung über sie und ihre Begleiter äußern konnte. Die Einzige, die ich hätte fragen können, war Else, aber ich bezweifelte, dass sie die Antwort kannte.
    »Sie sind erst seit gestern hier.« Jupp ließ sich nicht von Josefs Tonfall einschüchtern.
    Anne, die neben mir stand, schüttelte den Kopf. »Warum kann er es nie gut sein lassen?«, fragte sie leise.
    »Es wäre nicht christlich, sie einfach so von Land zu jagen, das wir erst wieder im Frühjahr brauchen«, sagte Jupp.
    »Willst du sie überwintern lassen?«, fragte der krumme Hans.
    Jupp hob die Schultern. »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.«
    Mit einem Grunzen, das wie das eines Ebers klang, stieß Josef die Fußbank beiseite und stand auf. »Hört mir denn hier keiner zu? Das sind Gaukler. Sie werden das ganze Dorf verderben, wenn wir sie lassen. Wollt ihr, dass sie mit euren Kindern und euren Frauen reden … oder Schlimmeres?«
    »Ich habe gehört, dass sie Kinder stehlen«, sagte Knut. Ich glaubte nicht, dass er je in seinem Leben das Dorf verlassen hatte, deshalb konnte er es nur von seinem Vater gehört haben.
    »Das tun sie«, sagte Josef. Er schritt vor den Männern des Dorfs auf und ab. Ich versuchte nicht daran zu denken, wie er mit offener Hose und heraushängendem Hemd über die Allmende gestolpert war, doch das Bild drängte sich mir immer wieder auf.
    »Sie stehlen Kinder«, fuhr Josef fort. »Sie schänden Frauen. Sie stehlen wie die Krähen und sind verschlagen wie Füchse.« Vor Jupp blieb er stehen. » Das spricht dagegen.«
    »Es spräche dagegen, würde es stimmen, aber wir kennen diese Leute nicht. Sie verdienen unsere Gastfreundschaft so lange, bis sie sich als unwürdig erweisen.«
    Nicht Jupp hatte das gesagt – sondern Mutter!
    Die Männer drehten sich zu ihr um, ich blinzelte überrascht. Die Frau, die mich am Vortag noch von der Straße gezerrt hatte, trat auf einmal für die Gaukler ein? Was hatte Richard nur zu ihr gesagt?
    Josef trat einen Schritt zur Seite und sah auf Mutter hinab. Er war fast einen Kopf größer als sie und doppelt so breit. Als Einziger im Dorf suchte er uns nicht auf, wenn ihn ein Wehwehchen plagte. »Du willst also warten, bis das erste Kind verschwindet, ja?«
    Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich will, dass wir tun, was Christus von uns verlangt. Das ist unsere Pflicht.«
    Einige ältere Frauen begannen zu tuscheln. In ihren Gesichtern sah ich, dass ihnen Mutters Beharrlichkeit nicht gefiel. Es gehörte sich als Frau nicht, einem Mann zu widersprechen, vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Das hatte mir Schwester Johannita beigebracht.
    »Unsere Pflicht«, sagte Josef mit mühsam bezähmter Wut, »ist es, unseren Nächsten zu helfen. Das sind Nachbarn und Familie, nicht irgendwelche Dahergelaufenen!«
    »Wen auch immer Christus zu uns führt, ist unser Nächster.«
    »Und woher willst du wissen, dass es nicht Satan war, der diese Gaukler in unser Dorf gebracht hat?«
    Die Frage brachte Mutter zum Schweigen. Ihre Schultern hoben sich, als setze sie zu einer Antwort an, dann sackten sie wieder nach unten.
    Josef nickte zufrieden, doch bevor er fortfahren konnte, fiel ihm Jupp ins Wort. »Ihre Taten sollen für sie sprechen. Wenn sie des Teufels sind, werden sie sich schon verraten.«
    Nur wenige nickten. Die meisten warfen nervöse Blicke auf die Allmende, glaubten wohl, der Gehörnte selbst müsse gleich zwischen den Karren auftauchen. Eine alte Frau bekreuzigte sich.
    »Also ich

Weitere Kostenlose Bücher