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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Winterlager machen.«
    Ich nahm die Hände herunter und nickte.

Kapitel 4
    Es wurde vieles anders nach diesem Tag, manches besser, manches schlechter. Die Gaukler stellten ihre Karren hinter dem Weiher auf und begannen die alte Scheune, die Mutter schon seit langem hatte abreißen wollen, abzudichten und winterfest zu machen. Zwei von ihnen, die junge Frau, die ich mit Josef gesehen hatte, und ein Mann, der sich als ihr Bruder ausgab, aber ihr nicht ähnlich sah, trennten sich von den anderen und sagten, sie wollten ihr Glück in Coellen versuchen. Richard ließ sie ziehen.
    Die Scheune bot mehr als genug Platz für die acht Gaukler. Sie holten sich Heu aus der anderen Scheune, um darin zu schlafen, und später, als der Schnee kam, um ihre Ochsen zu füttern. Kochen mussten sie jedoch draußen, darauf hatte Mutter bestanden. Vorräte hatten sie genügend, die ganze Zeit über baten sie uns kein einziges Mal um etwas zu essen.
    Auch im Dorf verhielten sie sich anständig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand Grund zur Klage hatte, denn sie bettelten nicht und behandelten jeden mit Respekt und Höflichkeit. Trotzdem gingen ihnen viele aus dem Weg, und nach einer Weile, als klar wurde, dass wir sie wirklich den ganzen Winter über beherbergen würden, gingen genau diese Leute auch uns aus dem Weg.
    Eines Morgens im Dezember, kurz vor dem Weihnachtsfest, begegneten Mutter und ich dem krummen Hans. Er hustete so stark, dass Mutter ihm anbot, mit uns zu kommen, damit sie ihm etwas dagegen geben konnte, aber er winkte nur ab und ging dann in den Steinbruch.
    Er war nicht der Einzige, der Mutters Hilfe ablehnte. Nur noch Jupp kam bei Tageslicht zu uns, einige wenige andere bei Nacht, wenn sie niemand dabei sehen konnte. Wenn Mutter sie nach dem Grund fragte, wichen sie aus oder erfanden Ausreden.
    »Der Grund heißt Josef«, sagte Mutter eines Morgens, als wir in der Stube saßen und Haferschleim aßen. »Er jagt dem ganzen Dorf Angst ein mit seinen Schauergeschichten. Und alle glauben den Unsinn, den er über die Gaukler erzählt, anstatt auf ihre Augen zu vertrauen.«
    »Erika hat sich bei Else über uns beschwert, weil ihre Hühner kaum noch Eier legen.« Mit einem Holzlöffel kratzte ich die letzten Reste Haferschleim aus dem Topf. »Sie denkt, die Gaukler hätten sie verflucht.«
    Mutter schüttelte den Kopf. »Erikas Hühner sind so alt wie sie, deshalb legen sie keine Eier.« Sie schwieg einen Moment lang. Ich lauschte auf das Heulen des Windes. Es war ein kalter, grauer Januarmorgen. Am Vorabend hatte es begonnen zu schneien, und es sah nicht so aus, als würde es an diesem Tag noch einmal aufhören. »Hat Else sonst noch etwas gesagt?«, fragte Mutter nach einer Weile. Es klang beiläufig, aber ich wusste, dass sie sich Sorgen machte.
    »Nein.«
    Das war eine Lüge. Else erzählte mir alles, was im Dorf vorging, von den heimlichen Versammlungen, bei denen über uns geredet wurde, bis zu den Gerüchten über uns und die Gaukler. Wenn ich nur daran dachte, wurde ich ganz rot im Gesicht.
    »Nein, nichts«, wiederholte ich, als Mutter mich musterte. Dass sie mir nicht glaubte, konnte ich sehen, aber zum Glück stellte sie keine weiteren Fragen.
    Es klopfte.
    Am liebsten wäre ich aufgesprungen und zur Tür gelaufen, aber ich blieb äußerlich ruhig und sagte nur: »Du kannst reinkommen.«
    Die Tür wurde aufgeschoben. Wind wehte in die Stube, brachte Schneeflocken und Kälte mit, dann trat Richard ein. Seine Haare und Schultern waren weiß von Schnee.
    »Guten Morgen«, sagte er, während er seine Kleidung abklopfte und seinen Umhang an einen Haken hing. »Der Winter kommt wohl doch noch.« Er schloss die Tür hinter sich.
    »Ist es in der Scheune warm genug?«, fragte Mutter.
    Richard nickte und zog den Stuhl an den Küchentisch, auf dem bereits meine Wachstafel lag und ebenso das Kreidestück, das immer kleiner wurde. Dank des Goldstücks, das der Kurier meines Vaters zu Weihnachten vorbeigebracht hatte, konnten wir uns das leisten.
    »Hast du schon die Nachtfast gebrochen?«, fragte ich förmlicher als nötig gewesen wäre.
    Richard nickte, so wie jeden Morgen. Er hatte noch nie mit uns gefrühstückt. »Danke, ich bin gesättigt.« Auch er drückte sich förmlich aus. Es war ein Spiel, das wir seit der ersten Unterrichtsstunde spielten. Wir gingen miteinander um wie Herrschaften. Das sollte mich auf mein zukünftiges Leben vorbereiten.
    Mutter genoss es, wenn wir so redeten. Während des Unterrichts saß

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