Die Nonne und der Tod
auf?«, fragte Richard.
»Zum Severinstor«, antwortete ihm Czyne. »Ich will raus aus dieser gottverdammten Stadt.«
»Nein.« Richard ging langsam auf sie zu. »Ich werde diese Leute nicht so im Stich lassen, wie ich dich im Stich gelassen habe.« Er legte ihr die Hände auf die Schultern, und ich sah, wie sie sich versteifte. »Damals bin ich gerannt, als du stehen geblieben bist, um zu kämpfen. Nie wieder.«
Richard wartete, aber sie sagte kein Wort. Nach einem Moment ließ er die Hände sinken und sah mich an. Seine Augen glänzten feucht. Er räusperte sich. »Wohin willst du die Kranken bringen?«
Ich hatte noch nicht darüber nachgedacht, aber es gab nur eine Antwort auf diese Frage. »Das Kloster. Selbst Erasmus kann den Mob nicht dazu bringen, Nonnen anzugreifen.«
»Gut.« Richards Blick zuckte noch einmal zu Czyne, aber sie rührte sich immer noch nicht. »Dann packt alles zusammen. Wir müssen los.«
Er ging an ihr vorbei, ohne sie noch einmal anzusprechen.
Ich legte Judith die Hand auf die Stirn. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber es kam mir so vor, als wäre ihr Fieber zurückgegangen. »Wickle sie in ihren Umhang und trage sie«, sagte ich zu Wilbolt.
Er nickte. Als er sie in die Arme nahm, tat er es so vorsichtig, als befürchte er, sie würde unter seinen Händen zerbrechen.
Ich ließ Jacob und ihn vor, dann ging auch ich an Czyne vorbei und sagte leise: »Tu es nicht. Sei nicht das Schlimmste, was ihm je widerfahren ist.«
Sie schwieg.
In der Haupthöhle warfen wir Kräuter und Tücher in Säcke und füllten die flüssigen Arzneien in leere Weinschläuche. Menschen liefen durcheinander, Richard hatte den Männern Bescheid gesagt, und nun versuchte jeder, so viel wie möglich von dem, was er besaß, mitzunehmen.
Agnes bereitete währenddessen oben die Kranken vor, damit wir sie zum Kloster schaffen konnten. Diejenigen, denen es schon besser ging, ließ sie von Verwandten nach Hause bringen. Und ebenso jene, denen es nie wieder besser gehen würde.
Wir warfen die Säcke, Schläuche und Kisten auf die Karren, welche die Schmuggler in einer der Hütten rund um den Innenhof abgestellt hatten und die sie hin und wieder zum Transport ihrer Schmuggelware benötigten. Auch die Kranken legten wir, in Decken gehüllt, darauf. Weitere Kranke wurden von ihren Verwandten getragen.
Erst als wir zum Aufbruch bereit waren, wurde mir klar, dass ich Czyne die ganze Zeit über nicht mehr gesehen hatte. Ich warf einen Blick über die Menschen, die langsam hinter den Karren hergingen, konnte sie jedoch nicht entdecken. Ich hoffte, dass sie nicht in der Höhle zurückgeblieben war.
»Was ist das?« Agnes, die zusammen mit Jacob neben mir ging, sah hinauf zum Himmel. Rotes Licht flackerte unter den Wolken. Beinahe sah es aus wie ein Sonnenuntergang, doch dafür war es schon viel zu spät.
»Die Synagoge.« Mein Mund wurde so trocken, dass ich kaum schlucken konnte. »Das Feuer muss auf die anderen Häuser übergegriffen haben.«
Nun bemerkten es auch andere. Einige blieben stehen und zeigten nach oben, andere sahen sich hektisch um, als könnten die Flammen schon auf den Dächern der umliegenden Hütten tanzen. Die Angst der Menschen drohte zur Panik zu werden.
»Im Kloster sind wir sicher!«, rief Jacob. »So weit kommt das Feuer nicht!«
Ich glaubte nicht, dass das stimmte.
»Wir müssen über den Domplatz, der Umweg durch die Gassen dauert zu lange.« Richard drehte sich zu mir um. Es war das Erste, was er sagte, seit wir die Herrenhaus-Höhle verlassen hatten. »Das Feuer lässt uns keine Wahl.«
Ich dachte an die Soldaten, nickte dann jedoch. Mit Menschen konnte man reden, Menschen nahmen Geld, doch Feuer tötet, ohne zu fragen.
Auf dem Weg zum Domplatz begegnete uns niemand, und auch der Platz war verlassen.
Graue Flocken begannen auf einmal um uns herum vom Himmel zu fallen. Eine landete auf meinem Handrücken und hinterließ einen grauen Streifen, als ich sie wegwischte.
»Asche«, sagte Jacob neben mir.
Wir drehten uns um und sahen zurück. Der rote Schein erfüllte den Nachthimmel, und der Wind trieb Rauchschwaden durch die Gassen.
Es kommt näher, dachte ich.
Die Gasse, die zum Kloster führte, befand sich vor uns, und wir eilten auf sie zu, angetrieben von Angst und Hoffnung.
Und blieben abrupt stehen, als die Soldaten aus der Dunkelheit traten.
Sie waren zu zehnt und trugen gelbe Schärpen.
»Da seid ihr ja, wie ich es erwartet habe!«, hallte auf einmal eine Stimme
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