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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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über den Domplatz – eine Stimme, die mir nur allzu bekannt war und die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
    Sie gehörte Erasmus.
    Erasmus kam vom Dom her, schlenderte über den Platz, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und rief: »Ich habe gewusst, dass ihr versuchen würdet, zum Kloster zu fliehen!«
    Lorenz, der gemeinsam mit Georg den Pöbel gegen die Juden aufgehetzt hatte, folgte ihm in wenigen Schritten Abstand; er war offenbar mehr als nur ein Diener, sondern auch eine Art Leibwächter des betrügerischen Apothekers.
    »Ja, ich habe euch erwartet.« Erasmus wirkte völlig sorglos, als würde das Feuer, das die Stadt verzehrte, für ihn keine Gefahr darstellen. »Da man sich überall erzählt, in welchem Teil der Stadt ihr eure Patienten behandelt, war mir klar, dass euch euere Flucht hier am Dom vorbeiführen würde.«
    Er blieb gut zehn Schritte von uns entfernt stehen und betrachtete uns abfällig, als wären wir Ungeziefer, das es zu zertreten galt.
    »Ihr behauptet also allen Ernstes, ihr könntet Kranke besser heilen als ich, der große Erasmus. In eurer Mitte soll es sogar einen Wunderheiler geben.« Seine Stimme triefte vor Hohn und Selbstgefälligkeit. »Es tut mir leid, aber das ist etwas, was ich nicht länger dulden kann. Ich …«
    Er unterbrach sich.
    Und auf einmal begann er laut zu lachen und wies auf Jacob. »Heiland, jetzt begreife ich! Du bist der Wunderheiler, der mir mein Geschäft kaputtmacht! Ja, ich erinnere mich, du warst bei der Hexe, als ich sie zum ersten Mal sah! Da war ich wohl etwas … angeheitert , nicht wahr?« Dann erblickte er in unserer Mitte auch den Bürgermeister. »Wilbolt?« Erneut lachte er auf. »Wilbolt, du bist einem Scharlatan aufgesessen!«
    Der Bürgermeister trat einen Schritt vor, seine Tochter auf den Armen. »Dir bin ich aufgesessen, nicht ihm! Judith lebt bereits einen Tag länger, als ihre Schwester und meine Frau es taten.«
    »Wir werden ja sehen, wie es endet.« Ein boshafter Tonfall schlich sich in Erasmus’ Stimme. »Gut, ich will die Hexe und alles, was ihr auf euren Karren habt – abgesehen von dem Abschaum natürlich – als Schadenersatz für den Lehrling, der mir abhandengekommen ist. Dann dürft ihr gehen, wohin ihr wollt.«
    Keiner von uns antwortete. Wir hatten mehr Männer als Erasmus, doch nur einer davon trug ein paar Rüstungsteile und keiner einen Schild. Ich befürchtete, dass es zu einem blutigen Gemetzel kommen würde.
    Also schob ich mich an Jacob vorbei. »Ich komme mit dir, wenn du ihnen die Hälfte von allem lässt. Die Arzneien, die du willst, kann ich dir herstellen.«
    »Bist du verrückt?« Jacob zog mich am Arm zurück. »Er wird dich nicht in seinen Dienst pressen wie eine Leibeigene!«
    Ich versuchte mich loszureißen, doch es war vergeblich.
    »Wir geben niemanden von uns her!«, sagte auch Richard.
    Rüsch und Dythmar griffen nach ihren Waffen, die anderen Männer zögerten noch.
    Erasmus gab den Soldaten ein Zeichen, und wie ein Mann zogen sie ihre Schwerter. Kampfbereit standen sie vor uns.
    »Seid ihr alle dieser Meinung?«, rief der Apotheker.
    »Ja.«
    Die Stimme kam von irgendwo hinter mir. Ich fuhr herum.
    Czyne stand auf einem winzigen Balkon im ersten Stock eines dunklen Patrizierhauses. Asche lag wie eine graue Schicht auf ihrer Haut und Kleidung, machte sie in der Dunkelheit beinahe unsichtbar.
    Sie drückte eine Armbrust gegen ihre Schulter. Ein Ruck ging durch ihren Körper, dann griff sie in ihren Gürtel, zog einen neuen Bolzen hervor.
    Ich sah zurück zu den Soldaten. Einer lag am Boden, und ein Bolzen steckte in seiner Kehle. Eines seiner Beine zuckte.
    »Haltet die Karren zwischen euch und ihnen!«, rief Richard.
    Gemeinsam wichen wir zurück.
    Die Soldaten duckten sich, suchten nach Deckung, doch auch der zweite Bolzen traf. Da liefen sie auseinander, versuchten Czyne kein Ziel zu bieten und so nahe an uns heranzukommen, dass die Armbrustschützin nicht mehr auf sie schießen konnte, ohne nicht auch ihre Kameraden zu gefährden.
    Da aber griffen auch die Schmuggler zu ihren Waffen. Mit Äxten, Knüppeln und Schwertern stürmten sie den Soldaten entgegen.
    Czyne schoss ruhig und ohne jede Gefühlsregung.
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Erasmus in Richtung Dom lief, während ihm sein Diener Lorenz den Rückzug deckte. »Kämpft, ihr Hunde!«, schrie der betrügerische Apotheker den Soldaten zu. »Niemand zahlt so gut wie ich!«
    »Bleib hier!« Jacob ließ mich los und setzte sich

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