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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Plätzen zu vertreiben, aber dafür fehlen mir jetzt die Soldaten.«
    »Zieh sie von den Toren ab«, sagte ich, »und …«
    »An den Toren stehen nicht meine Soldaten. Ihr …« Er seufzte erneut. »Ihr versteht nicht, wie diese Stadt regiert wird. Der Rat ist das Einzige, was die Familien davon abhält, übereinander herzufallen. Selbst wenn ich persönlich zum Severinstor ginge und seine Öffnung verlangte, es würde nichts nutzen. Die Soldaten hören auf ihre eigenen Herren, nicht auf mich.«
    Jacob schien etwas einwenden zu wollen, aber Wilbolt ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ihr glaubt vielleicht, ihr könntet etwas ausrichten, weil ihr jetzt auf mich einwirken könnt, aber ich habe nie wirklich regiert. Ich habe nur ab und zu etwas unterschrieben, wenn Friedrich es mir gab und sagte, mein Vater hätte das Gleiche getan. Ich bin kein Bürgermeister, ich bin eine Handpuppe.« Er sah seine Tochter an und fügte traurig hinzu: »Ich habe euch alle im Stich gelassen.«
    Ich wusste nicht, ob er die Stadt meinte oder seine Familie und ob ich dazugehörte oder nicht.
    Jacob wirkte enttäuscht. Er stand auf und verließ die Herrenhaus-Höhle. Nach einem Moment folgte ich ihm.
    »Nimm es ihm nicht übel«, sagte ich, als wir in die Haupthöhle traten. Richard war als Einziger unten, alle anderen hielten oben Wache. Er hörte uns zu, während er aß. »Er hat seine Frau und eine seiner beiden Töchter verloren, und die andere wird vielleicht auch sterben.«
    »Seine Stadt stirbt.« Jacob schüttelte den Kopf. »Er müsste wenigstens versuchen, sie zu retten.«
    »Vielleicht würde er das, könnte er an etwas anderes denken als an seine Tochter.«
    »Wie geht es ihr denn?«, fragte Richard mit vollem Mund.
    »Nicht gut.« Wenn Wilbolt in der Nähe war, sagten wir unverändert , obwohl wir wussten, dass das nicht stimmte. Das Fieber riss sie Stück für Stück aus unserer Welt.
    Ich hörte Schritte. Agnes tauchte im Gang auf. »Kommt mit nach oben«, bat sie. »Irgendetwas stimmt nicht.«
    Richard schluckte den Rest von seinem Eintopf hinunter und stand auf. Jacob nickte mir zu. »Geh du, ich bleibe bei Judith.«
    Und versuche weiter, Wilbolt zu überzeugen, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich glaubte nicht, dass er Erfolg haben würde.
    Ich stieg als Letzte von der Leiter und schloss die Falltür hinter mir. Es wurde bereits dunkel, der Sonnenuntergang tauchte die Gassen in ein seltsam verschwommenes rotes Licht.
    Ich wollte Agnes bereits fragen, was sie Ungewöhnliches bemerkt hatte, als mir auffiel, wie still es war. Ich hörte das Stöhnen, Jammern und Beten der Kranken, das aus den Hütten drang, aber ansonsten war es ruhig. Die Menschen, die vor den Hütten gewartet hatten, damit auch ihre Angehörigen behandelt wurden, waren alle weg, ebenso wie die Kranken, die sie gebracht hatten.
    Czyne und die Schmuggler, die in den Gassen Wache hielten, wirkten verunsichert und nervös.
    »Sie sind auf einmal alle verschwunden«, sagte Rüsch. »Sie haben ihre Kranken genommen und ihre Sachen und sind gegangen.«
    »Ohne etwas zu sagen?«, fragte Richard.
    »Kein Wort.«
    Dythmar spuckte aus. »Ich habe ein Gefühl dafür, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, und ich sage euch: Die Dinge laufen aus dem Ruder.«
    Einige nickten, darunter auch Czyne. »Wir sollten mit dem Schlimmsten rechnen. Die Menschen wenden sich nicht einfach so von der einzigen Hoffnung ab, die ihnen noch geblieben ist.«
    »Wir können darüber reden oder uns darum kümmern.« Richard tastete an seinem Gürtel entlang, sah dann hinunter und verzog das Gesicht. »Wenn einer eine Waffe für mich hat, sehe ich mich mal in der Stadt um.«
    Czyne reichte ihm einen ihrer Dolche. Seit dem Kampf gegen die Plünderer trug sie zwei bei sich. »Zur Erinnerung an Paul«, hatte sie gesagt, als ich sie darauf angesprochen hatte.
    »Ich komme mit, wenn du nichts dagegen hast«, bot ich an.
    Sein Blick streifte Czyne. Sie wirkte gleichgültig, so als interessiere sie nicht, was er tat. »Dann wollen wir mal.«
    Er schien darauf zu hoffen, dass sie ebenfalls mitkommen würde, aber sie wandte sich bereits von uns ab und befahl den anderen Schmugglern, sich wieder in den Gassen zu verteilen und die Umgebung im Auge zu behalten.
    »Wir bleiben dem Dom besser fern«, sagte Richard, während wir durch die Gassen der Stadt gingen. »Lass uns in Richtung Severinstor gehen.«
    Wir bogen nach links ab, sahen in jede Gasse hinein, an der wir vorbeikamen. Sie waren dunkel und leer

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