Die Nonne und der Tod
als der ihn zweifelnd ansah.
»Also gut«, sagte der Schmuggler und gab den Weg frei.
Der Vater führte seinen Sohn an uns vorbei. Er sah mich an und sagte etwas, doch es ging im wütenden Geschrei der Menge unter. Zwei gingen schimpfend und fluchend davon, ihre Kranken stützend, einer bestand darauf, dass wir sein Weib aus der Hütte holten. »Sie soll nicht unter demselben Dach wie ein Jude sterben!«, sagte er, als er die halb bewusstlose Frau wegzerrte.
Der Fluch, der unser Dorf heimgesucht hatte, befiel nun auch Coellen. Die Hexenjagd hatte begonnen.
»Passt gut auf den Jungen auf«, sagte ich zu Agnes, bevor wir gingen. »Sonst finden wir ihn noch mit durchschnittener Kehle.«
Sie nickte.
Czyne erwartete uns schon an der Falltür. Ich sah ihr an, dass etwas geschehen war.
»Ich wollte euch abfangen, bevor ihr in die Höhle kommt«, sagte sie. »Bürgermeister Wilbolt ist unten.«
Der Name versetzte mir einen Stich.
»Seine jüngste Tochter ist tot, die andere hat die Seuche.«
Kapitel 38
Czyne hatte Wilbolt und seine Tochter, eines der zwei kleinen Mädchen, mit dem ich ihn und seine Frau in der Nähe des Domplatzes gesehen hatte, in die Herrenhaus-Höhle gebracht. Es sei noch ein Diener bei ihnen, sagte sie, ein alter Mann, den man die Leiter hatte hinuntertragen müssen. Ich wusste genau, von wem die Rede war.
»Sprich du allein mit ihm«, sagte ich zu Jacob. »Ich bleibe im Gang, wo er mich nicht sehen kann.«
»Wie du willst, aber früher oder später werdet ihr euch begegnen.«
»Ja, aber dann werde ich die Umstände unseres Zusammentreffens diktieren.«
Und vielleicht wissen, was ich sagen soll, fügte ich in Gedanken hinzu. Ich blieb stehen und ließ Jacob allein weitergehen. Richard war in der Haupthöhle mit Czyne zurückgeblieben.
»Nehmt ihn richtig aus«, hatte sie uns noch geraten. »Er kann es sich leisten.«
»Bist du der Perser, von dem man sich erzählt?«, fragte Wilbolt, als Jacob in die Herrenhaus-Höhle trat.
»Der sieht nicht sehr persisch aus«, sagte von Wallnen.
»Ich bin auch kein Perser, ich habe nur bei einem gelernt.« Ich hörte Stoff rascheln und nahm an, dass Jacob sich neben Wilbolts kleiner Tochter auf das Bett gesetzt hatte. »Ich weiß nicht, wie dieses Gerücht entstanden ist.«
»Gerüchte sind das Lebenselixier dieser Stadt«, sagte Wilbolt. »Kannst du Judith helfen?«
»Ich weiß es nicht.« Jacob machte eine Pause. »Und ich bin auch nicht derjenige, den du fragen solltest.«
Nein, dachte ich. Bitte tue das nicht.
Doch er fuhr fort. »Alle Erfolge, die man mir zuschreibt, die wenigen, die es denn sind, wären nicht möglich gewesen ohne eine andere Person.«
»Wovon redest du?«, fragte von Wallnen.
»Ich würde dir diese Person gern vorstellen. Sie wartet im Gang.«
»Dann bring sie rein.«
Einen Moment lang war ich versucht, mich umzudrehen und davonzulaufen, doch dann strich ich mir das Haar aus dem Gesicht, glättete die Schürze und straffte meine Haltung.
Bringen wir es hinter uns, dachte ich.
Von Wallnen wäre aufgesprungen, wenn er gekonnt hätte, als ich die Herrenhaus-Höhle betrat. »Das ist ein schlechter Scherz!«
»Ganz und gar nicht.« Jacob wirkte so nervös, wie ich mich fühlte.
Wilbolt sah ihn enttäuscht an. »Ich dachte wirklich, du könntest meiner Tochter helfen, doch aus welchen Gründen auch immer scheinst du nichts anderes im Sinn zu haben, als mich zu erniedrigen.« Er ging zum Bett und nahm das Mädchen vorsichtig auf die Arme. Die Kleine stöhnte und murmelte etwas im Fiebertraum.
»Warte!«, sagte ich. »Jacob hat nicht gelogen. Wir haben zusammen einige der Kranken geheilt.«
»Durch Teufelswerk!«, stieß von Wallnen hervor.
Ich beachtete ihn nicht, obwohl ich ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte. »Lass uns versuchen, ihr zu helfen, Bürgermeister. Es ist noch nicht zu spät für sie.«
Wilbolt zögerte. In seinem Blick las ich den brennenden Wunsch, mir glauben zu können, doch in seinem Gesicht stand Misstrauen und Widerwillen.
»Du willst dein eigen Fleisch und Blut doch nicht dieser Hexe anvertrauen?« Schwer auf seinen Stock gestützt, humpelte von Wallnen auf seinen Herrn zu. »Bringen wir Judith zu Erasmus zurück. Er wird ihr …«
»… ebenso wenig helfen, wie er meiner Frau und meiner kleinen Helena helfen konnte«, unterbrach ihn Wilbolt. Helena musste das andere Mädchen sein, mit dem ich ihn damals gesehen hatte; sie und ihre Mutter waren also bereits der Seuche erlegen. Wilbolt
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