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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sicher, ob die zuständigen Instanzen das zu unterscheiden vermochten. Die Tür öffnete sich, ein Lichtschein fiel herein. Ob sie ihn jetzt zum Verhör durch den Inquisitor holten? Eine Person trat ein, eine Frau, wie er an der Silhouette ausmachen konnte, eine Frau von hohem Stand.
    »Vergnügt euch schön zusammen, ihr Vögelchen«, tönte die raue Stimme des Wärters. Ein Topf wurde hereingeschoben, der den Geruch von Kohl verbreitete. Christoph hörte zunächst nichts als den ruhigen Atem der Frau. Ernahm einen schwachen Duft nach Bergamotteöl wahr. Kleider raschelten. Ein Funke sprang auf, und die Fremde entzündete eine Kerze. In ihrem Schein sah Christoph eine Frau von hohem, schlankem Wuchs. Das Gesicht war oval geschnitten, die Nase schmal und gerade. Ihre Haare trug sie unter einem Perlennetz, darüber ein Barett. Ihr Kleid war fließend, aus edlem Stoff.
    »Mein Name ist Andriana Grimani«, sagte sie mit einer tiefen, angenehmen Stimme und streckte Christoph die feingliedrige Hand entgegen. Eine Adlige, eine Patrizierin. Warum schickten sie eine solche Frau zu ihm? Wollte sie ihn etwa aushorchen? Christoph nahm sich vor, auf der Hut zu sein.
    »Ich heiße Christoph Pfeifer«, antwortete er.
    Andriana stellte die Kerze auf eines der Bretter, die als Betten dienten. »Ihr wundert Euch sicher, wie so eine vornehme Dame wie ich in ein solches Verlies gerät«, meinte sie.
    »Das wundert mich allerdings.«
    »Ich bin eine Kurtisane. Aber bevor wir unsere Unterhaltung fortsetzen … wollt Ihr nicht erst etwas essen?«
    Christoph verspürte Ekel beim Gedanken an den Kohl. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Auf die Gefängniskost hätte ich auch keine Lust«, sagte Andriana lächelnd. »Doch dagegen habe ich ein Mittel.«
    Sie zog einen Lederbeutel aus den Tiefen ihres Gewandes und entnahm ihm weißes Brot, etwas Käse und getrocknete Feigen.
    »Hier, nehmt! Meine Stellung in der Stadt ist so bedeutsam, dass der Wächter es sich nicht getraut hat, mich zu durchsuchen. Ich hoffe auch, dass meine Gönner mir Körbe mit Lebensmitteln bringen lassen.«
    Christoph griff zu und fragte, nachdem er seinen ersten Hunger gestillt hatte: »Was führt Euch hierher?«
    »Erkennt Ihr mich nicht? Aber nein, wir sind uns nie begegnet, glaube ich. Ich hatte mich einst geweigert, den gelben Schleier zu tragen, und wurde zu einer Pilgerreise nach Rom verurteilt.«
    »Wie Tullia d’Aragona«, entfuhr es Christoph. »Dann seid Ihr …«
    »Ja, ich bin die Kurtisane, die mit Eurer Freundin nach Rom gegangen ist. Im Spätsommer bin ich nach Venedig zurückgekehrt und hörte, dass Celinas Buch ebenfalls auf den Index gesetzt wurde.«
    »Wisst Ihr, wo sie ist?«
    »Leider nicht. Dass ich jetzt hier bin, habt Ihr Eurem Freund Brinello zu verdanken. Er hat einen Wärter bestochen, einen Brief an Immuti, den Ratsherrn, weiterzuleiten, und der hat mich verständigt. Aufgrund meiner Stellung darf ich hier ein und aus gehen und den Gefangenen Nahrung bringen, ohne Verdacht zu erwecken.«
    »Wie sieht es in der Stadt aus? Will man uns den Prozess machen?«
    Andriana schluckte. »Ja, man will Euch einen Hochverratsprozess machen und dann zusammen mit den Büchern öffentlich verbrennen. Aber Immuti und ich werden alles tun, was in unserer Macht steht, um das zu verhindern.«
    »Ich bin Euch zu allertiefstem Dank verpflichtet«, sagte Christoph.
    »Ich habe Tullia d’Aragona noch gekannt«, entgegnete Andriana. »Eure Freundin Celina erinnert mich an sie. Tullia ist 1555 verarmt und vergessen gestorben. Zusammen mit ihren Weggefährten, Bempio und den anderen, habe ich den literarischen Salon in ihrem Sinne weitergeführt.«
    Christoph kam eine Erkenntnis. »Ist es in Wirklichkeit vielleicht deswegen, dass Ihr …«
    »Ja, das ist der wahre Hintergrund«, gab Andriana zu. »Ich kenne Eure Geschichte, Christoph Pfeifer.«
    Christoph zuckte zusammen. War das eine Falle? Er musste so erschrocken ausgesehen haben, dass Andriana begütigend einlenkte: »Ich habe Celinas Buch gelesen, bevor es auf den Index kam. Von diesem Bücherverbot sind wir in unserem Zirkel ebenfalls betroffen.«
    »Dann wisst Ihr wohl auch, was mich in diese Lage gebracht hat.«
    »Ja, das weiß ich. Eugenio Gargana, den ich sehr gut kenne, ist ein Ränkeschmied erster Güte. Ich bin mir sicher, dass er zu Eurer Verhaftung beigetragen hat, weil Ihr Euch zu sehr in die Politik des Zehnerrates eingemischt habt.«
    Christoph hatte nun vollends Vertrauen zu Andriana gefasst. »Könnt

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