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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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und eure Beschuldigungen gegenüber den hohen Würdenträgern zurückzunehmen?«
    »Nein«, kam es wie aus einem Munde.
    »Meine Herren«, wandte sich der Ratsherr an die beiden Beamten. »Den Einsatz einer peinlichen Befragung erachte ich für müßig: Die Verbrechen der Angeklagten liegen klar vor aller Augen! Doch merkt es euch gut: In weniger schweren Fällen sind die Strafen milde. Sie erstrecken sich vom Kirchenbesuch über Pilgerfahrten bis zum Tragen eines Kreuzes. Bei schwereren Delikten droht euch lebenslanges Gefängnis. Zeigt ihr aber während des Prozesse keine Reue und widerruft ihr nicht das, was ihr an Anschuldigungen vorgebracht habt, dann werdet ihr gepfählt und ebenso verbrannt wie eure Bücher, für die ihr dummerweise bereit seid zu sterben.« Er gab den Männern einen Wink. »Bringt sie in ihre Gefangenenräume zurück.«
    Wie auf ein Stichwort ging die Tür auf, und vier Gerichtsdiener kamen herein. Bevor einer der Beamten ihn ergreifen konnte, sagte Christoph laut: »Ich habe die Bulle des Papstes Licet ab initio gelesen. Es ist die Kongregation der römischen und der allgemeinen Inquisition, um die Kirche vor Häretikern, vor Abweichlern von der Glaubenslehre zu schützen. Darin ist auch festgelegt, dass alle Habe der Verurteilten in das Eigentum der Kirche übergeht. Ihr seid …«
    »Hinaus mit ihnen!«, brüllte der Ratsherr.
    Durch die reich ausgeschmückten Säle und Gänge des Palastes ging es zurück zur Treppe, die nach oben, zu den Bleikammern unter dem Dach führte. Jede Stufe erschien Christoph wie ein Stück näher zum Scheiterhaufen. Er hatte keine Gelegenheit mehr, mit den anderen zu sprechen. Es würde auch sicher keine Möglichkeit mehr geben,einen Wächter zu bestechen. Und es gab niemanden von außen, der ihnen Hilfe oder wenigstens Nahrung bringen könnte.
    »Wie lange wird es dauern, bis uns der Prozess gemacht wird?«, fragte Christoph seinen Wächter.
    »Halt’s Maul, ich gebe keine Auskünfte«, brummte der Mann nur. Er stieß ihn in den düsteren Raum hinein. Rasselnd drehte sich der Schlüssel im Schloss. Christoph war wieder einmal allein. Nein, schwebte nicht noch ein wenig von Andrianas Parfüm im Raum? Mit Sehnsucht dachte er an Celina, die immer nach frischem Gras geduftet hatte. Oder wenigstens war ihm das so vorgekommen. Er hockte sich nieder, suchte mit den Fingern im Stroh. Richtig, da waren noch zwei Kerzen und Zündwerk, von den Wachen wohl übersehen worden. Er zündete eine von ihnen an, schob das Stroh beiseite, ließ Wachs auf den Boden tropfen, womit er die Kerze befestigte. Christoph setzte sich mit dem Rücken zur Wand und dachte nach. Er wollte sich nicht in sein Schicksal ergeben. Was hatte Andriana gesagt? In den Bleikammern unterhalb des Daches sei eine Flucht zwar möglich, aber es gebe keine Gelegenheit, von dort wieder herunterzukommen. Allmählich begann er zu verzweifeln. Die Fleischbrocken, die ihm in einem Topf hingestellt wurden, aß er mit viel Selbstüberwindung, weil er bei Kräften bleiben wollte.
    Eine lange Zeit später knirschte wieder ein Schlüssel im Schloss. Ein Duft nach Bergamotte wehte herein, überdeckte den muffigen Geruch in der Zelle.
    »Lass uns allein«, sagte Andriana zu dem Wächter. Der Mann verbeugte sich und ging schlurfend davon. Was für eine Macht musste Andriana haben! Christoph war glücklich darüber, Celinas Freundin zu sehen.
    »Wieso ist es dir erlaubt, mich zu besuchen?«, fragte er. »Ich dachte, wir seien des Hochverrats angeklagt.«
    »Seid ihr auch«, sagte sie. »Aber ich habe viele einflussreiche Gönner. Meine Strafe habe ich durch die Pilgerreise verbüßt, und ich trage nun, zähneknirschend zwar, den gelben Schleier. Doch sprechen wir nicht von mir.« Andriana stellte den Korb, den sie am Arm getragen hatte, auf den lehmgestampften Boden.
    »Ich habe keine Hoffnung, hier wieder herauszukommen, und wenn, dann am Tag des Prozesses«, sagte Christoph mit müder Stimme.
    »Der Prozess ist auf den 25. Oktober angesetzt, also findet er in sechs Tagen statt. Ich will versuchen, deine Freunde und dich herauszubekommen. Und dann kümmern wir uns um Celina.«
    »Das wird aber nicht noch einmal mit Bestechung gehen«, wandte Christoph ein.
    Andriana lachte. »Ja, der Zehnerrat wacht streng darüber, dass seine Schäfchen ihm nicht entkommen. Ich habe einen Plan, Christoph. Aber der ist gefährlich.«
    Atemlos hörte Christoph ihr zu.
    »Ich werde dir heute noch Hammer und Meißel bringen, dazu einen

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