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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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ihr vom Kopf ab wie einer Katze, die das Fell sträubt. »Ich bin immer bereit zu helfen, aber mit euch nach Jötunheim kommen? Nie im Leben!« Sie sprang auf ihren Kriegswagen, der von zwei schwarzen Katzen gezogen wurde, und fuhr davon, dass der Staub aufwirbelte.
    Und Thor stand da und blickte ihr noch nach, als sie schon längst verschwunden war.
    »Was soll ich denn jetzt machen?«, sagte Thor und ließ sich auf den Boden fallen. »Der Hammer ist weg, ich bin verstümmelt, und wir alle sind den Riesen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Was soll ich tun, Loki? Sag es mir.«
    Schweigend setzte sich Loki neben seinen Freund und dachte nach. »Ich wüsste etwas. Dabei müsste auch keiner der anderen Götter erfahren, was passiert ist. Aber es wird die härteste Prüfung sein, die du je erdulden musstest.«
    »Völlig egal«, sagte Thor, und in seiner Stimme lag neuer Mut, »lass uns gehen. Ich kann eine Axt mitnehmen, vielleicht, oder einen Speer.«
    Aber Loki fiel ihm ins Wort. »Du wirst mit anderenWaffen kämpfen müssen, um deinen Hammer zurückzugewinnen, fürchte ich.«
    Thor überlegte einen Moment. »Bogen?«
    Loki schüttelte den Kopf.
    »Was, eine Steinschleuder? Loki, ich bitte dich, ich bin ein Gott!«
    »Ich habe nichts von einer Schleuder gesagt. Das ist nicht die Art von Waffen, die ich meine. Ich meine die Waffen einer Frau.«
    Thor starrte Loki verständnislos an.
    »Du wirst dich als Freyja verkleiden und so in Thryms Burg hineingelangen.«
    Thor starrte weiter.
    »Ja, was? Verstehst du nicht?«, schnappte Loki. »Du bist Freyja. So kommen wir rein. Wir greifen uns den Hammer, dann kämpfen wir, und schon sind wir wieder weg. Das ist der Plan.«
    Ganz langsam rutschte Thor ein Stück von Loki weg. »Du hast den Verstand verloren, mein Bruder. Ich bin der Donnergott. Ich habe einen Bart. Ich gelte in allen Welten als besonders männlich. Wie sollte ich als Freyja durchgehen?«
    Ungeduldig stand Loki auf und klopfte sich den Staub von den Gewändern. »Alles eine Frage des Kostüms. Aber wenn du nicht willst, dann behält der Riese eben den Hammer.«
    Thor hatte keine Wahl. Sosehr er auch nachdachte, es fiel ihm kein besserer Vorschlag ein, um ohne Mjöllnir und ohne die Hilfe der anderen Götter in Thryms Festung zu gelangen. Und so tat er, was Loki von ihm verlangte.Er legte ein langes Gewand an und verbarg sein Haar und sein Gesicht unter einem Schleier.
    Auch Loki erschien in Frauenkleidern, im Gegensatz zu Thor aber wirkte er erstaunlich weiblich. Seine Bewegungen waren anmutig, sein Gang wiegend, und da auch er seine Gesichtszüge verbarg, hätte er durchaus eine Göttin sein können. »Ich bin jetzt deine Kammerzofe«, sagte Loki mit verstellter Stimme, »und ich weiche nicht von deiner Seite. Es ist Zeit, bärtige Freyja, lass uns Mjöllnir zurückholen.«
    Und sie bestiegen Thors Kriegswagen, der von riesigen Ziegenböcken gezogen wurde, und fuhren hinab nach Jötunheim.

    Thryms Burg lag in einer besonders abweisenden Gegend Jötunheims. Sie war auf einen Felsen gebaut, der nach einer Seite direkt zum Meer hin abfiel. Der Sturmfegte um die Mauern, und zwei gewaltige Riesen hielten vor dem Tor Wache. Als sie das Gefährt mit den beiden Göttinnen herankommen sahen, verlangsamten sich ihre Bewegungen. Alles an ihnen schien sich auf den verkleideten Loki zu konzentrieren. Während sie die vermeintliche Magd aus verquollenen Riesenaugen anglotzten, lief ihnen der Speichel aus dem Maul.
    »Öffnet das Tor!«, rief Loki, und Thor bemerkte voll Verwunderung, dass die Stimme seines Freundes jetzt tatsächlich wie die einer Frau klang. Überhaupt schien Loki noch viel mehr in seine Rolle hineingewachsen zu sein. Alles an ihm war geschmeidig und verführerisch. Es kostete Thor einige Anstrengung, seinen Blick von ihm abzuwenden.
    »Hier kommt die Frühlingsgöttin Freyja, die zukünftige Braut des edlen Thrym!«
    Und noch während Loki sprach, traten die Riesen beiseite und ließen den Bockswagen hindurch. Der Burghof war ebenso wie das gesamte Gebäude aus grobem Stein gehauen. Es gab kaum Fenster, und die wenigen Fackeln reichten nicht aus, um die Burg in trübes Dämmerlicht zu tauchen.
    Thor atmete auf. Vielleicht würde seine Verkleidung nicht sofort auffallen. Keiner der Riesen zeigte sich. Sie schienen nicht mit der Erfüllung ihrer Forderung gerechnet zu haben. Loki aber schritt direkt in den Thronsaal des Riesenkönigs. Thor wollte ihm folgen, aber noch bevor er den Saal ebenfalls erreicht

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