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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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gut bewaffnet wie die Asen, doch das Wissen um die Ungerechtigkeit dieses Krieges verlieh ihnen Mut und Stärke, und sie hielten dem Ansturm der Gegner stand.
    Griffen die Asen Vanaheim den einen Tag siegreich an, so stürmten die Vanen tags darauf die Mauern des Asenreichs.
    Der Göttervater raste vor Zorn und berief den Rat ein: »Noch niemals hat es jemand gewagt, in unser Reich einzudringen. Götter, was sollen wir tun?«
    Balder stimmte für den Frieden: »Wir sollten den Vanen die Hand reichen und uns mit ihnen verbünden, als ebenbürtige Götter. Vater, vergiss nicht, dass wir es waren, die die Vanen angegriffen haben. Vielleicht können wir die Prophezeiung auch noch abwenden, wenn wir uns mit ihnen vertragen.«
    Viele Götter stimmten zu, denn sie glaubten, dass Balder recht hatte. Odin aber wollte weiterkämpfen. Und so brach ein weiterer Kriegstag mit Gewalt und Zerstörung über die oberste Welt herein.
    Die Verluste auf beiden Seiten waren so hoch, dass sich zuletzt selbst Odin fügte und in einen Waffenstillstand einwilligte. Die Vanen wurden gerufen, und da auch sie kriegsmüde waren, wurde gemeinsam der Frieden beschlossenund besiegelt. Damit der Frieden wirklich gesichert war, wurde der Austausch von Geiseln verabredet. Beide Seiten schickten jeweils die Besten und Edelsten ihres Geschlechts ins andere Lager. Der Vanengott Njörd zog mit seinen Kindern Frey und Freyja ins Reich der Asen. Im Gegenzug stellten die Asen Odins eigenen Bruder Vili als Geisel, begleitet von Mimir, dem weisen Wächter der Quelle.
    Vili war mutig und stark. Da er Odins Bruder war und die Vanen ihn daher für besonders klug hielten und außerdem hofften, so für immer den Frieden zu sichern, wählten sie ihn bald zu ihrem Anführer. Vili aber war es nicht gewohnt, ein Anführer zu sein. Noch nie zuvor hatte er Befehle erteilt, die nicht mit Odin abgesprochen waren. Und auch jetzt entschied er nichts, ohne vorher den weisen Mimir um Rat zu fragen. So kam es, dass Mimir zum eigentlichen Führer der Vanen aufstieg und Vili nur wie eine Marionette regierte. War Mimir einmal nicht zugegen und Vili wurde um seine Meinung gebeten, sagte er: »Das mögen andere entscheiden.«
    Mit der Zeit fiel es den Vanen auf, dass Vilis Anordnungen den Asen stets einen Vorteil verschafften, das eigene Volk aber benachteiligten.
    Vili änderte den Grenzverlauf zwischen Asgard und Vanaheim zum Vorteil der Asen, er verzichtete auf Opfergaben der mittleren Welt, die eigentlich allen Göttern erbracht werden sollten. Oder er übertrug Aufgabenbereiche der Vanengötter ohne Rücksprache mit seinem Volk auf die Asen.
    Es dauerte nicht lange, da durchschauten die Vanen,dass es eigentlich der weise Mimir war, der über sie herrschte, und dass er ausschließlich in Odins Interesse handelte. Odins Getreuer als Herrscher in Vanaheim. Als sie das erkannten, fühlten sich die Vanen mit ihren Geiseln betrogen. Aus Rache schlugen sie dem weisen Mimir den Kopf ab und schickten ihn an Odin.
    Odin war entsetzt, als er die blutige Gabe der Vanen in Händen hielt. Aber er wäre nicht der Göttervater gewesen, hätte er sich nicht zu helfen gewusst: Sofort salbte er Mimirs Kopf mit kostbaren Ölen und Kräutern. Er zeichnete Runen auf Mimirs Stirn und besprach den Kopf. Und siehe da: Der Kopf erwachte zum Leben, und von jenem Tage an befragte Odin  – so weise er selbst auch war, und er war sehr weise – Mimirs Haupt, wenn er Rat brauchte oder es ihm nicht glücken wollte, selbst in die Zukunft zu blicken. Und jedes Mal erhielt er Antwort.

Odin und der Dichtermet
    H ätte Odin Mimirs Tod nicht mitverschuldet, indem er ihn als seinen Handlanger zu den Vanen schickte, wäre es vielleicht zu einem erneuten Krieg zwischen Asen und Vanen gekommen. So aber war Odin erleichtert, dass die Vanen nicht weiter auf seinen offensichtlichen Betrug eingingen und der Frieden gewahrt blieb.
    Mehr noch, beide Göttergeschlechter einigten sich darauf, den neuen Bund noch einmal zu besiegeln. Sie stellten einen großen Kessel auf und spuckten alle hinein, denn Speichel war das Symbol des Friedens. Um von der kostbaren Götterspucke nichts zu verschwenden, formten die Asen aus ihr einen Mann und gaben ihm den Namen Kvasir. Kvasir war so klug, dass er jede Frage, die ihm gestellt wurde, mit Leichtigkeit beantworten konnte. Selbst für Odin wäre es schwer gewesen, und deshalb fragte er erst gar nicht. Stattdessen schickte er Kvasir los, um in den drei Welten mit seiner Klugheit

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