Die Normannen
angeknüpft, der bereit war, ihm zu helfen. Bohemund und seine Ritter konnten so vor dem Morgengrauen des 3. Juni 1098 ungestört die Mauern ersteigen und den Kreuzfahrern die Tore öffnen. Doch am folgenden Tag erreichte sie das Heer Kerbogas und schloss sie in Antiochia ein. Als in der Stadt die Lebensmittel ausgingen und die Lage immer verzweifelter wurde, unternahmen die Kreuzfahrer am 28. Juni einen Ausfall und konnten, vor allem durch das Verdienst Bohemunds, die Truppen Kerbogas vernichtend schlagen. Bohemund war der einzige unter den Führern des Kreuzzugs, der Erfahrung im Kampf gegen diewendige leicht bewaffnete türkische Kavallerie und ihre gefürchteten Bogenschützen hatte, die in der bereits erwähnten Schlacht von Dyrrhachion (1081) als byzantinische Hilfstruppen gegen die süditalienischen Normannen gekämpft hatten.
Nach seinem Erfolg gegen die Soldaten Kerbogas, der den Kreuzfahrern Antiochia sicherte, verlangte Bohemund die Einlösung des Versprechens, traf aber auf den Widerstand Raimunds von Toulouse und seiner provenzalischen Ritter. Die Diskussionen zogen sich in die Länge; viele Kreuzfahrer drängten darauf, nach Ende der Sommerhitze endlich nach Jerusalem aufzubrechen. Schließlich gab Raimund unter der Bedingung nach, auch Bohemund müsse mitziehen. Dadurch wollte er verhindern, dass dieser in Antiochia vollendete Tatsachen schuf. In einem Präzedenzfall hatte nämlich bereits ein Kreuzfahrer die Gelegenheit genutzt, sich im Vorderen Orient eine Herrschaft aufzubauen: Balduin von Boulogne, ein Bruder Gottfrieds von Bouillon, der sich mit einer Gruppe von Rittern vom Hauptheer getrennt hatte, hatte im März 1098 die Stadt Edessa (Urfa im Südosten der Türkei) in seine Hand gebracht. Diese reiche Handelsstadt, von der aus die vorwiegend von Armeniern bewohnten Gebiete westlich und östlich des Euphrat kontrolliert werden konnten, wurde das Zentrum der ersten Kreuzfahrerherrschaft, der Grafschaft Edessa.
Nach der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer (15. Juli 1099) standen Balduin und Bohemund unter Zugzwang, denn sie hatten bisher ihr Gelübde, nach Jerusalem zu ziehen, noch nicht eingelöst. Sie begaben sich daher Ende des Jahres als Pilger in die inzwischen christliche Stadt. Hier erhielt Bohemund vom neuen lateinischen Patriarchen von Jerusalem und päpstlichen Legaten Daibert von Pisa die feierliche Investitur in das Fürstentum Antiochia. Unklar blieb, wem er damit unterstand: dem Patriarchen von Jerusalem oder dem Papst. Dies war im Grunde auch wenig relevant, denn in der Praxis war Bohemund unabhängig. Er schien am Ziel seiner Wünsche. Endlich hatte er einen Titel und einen Herrschaftsbereich, der ihn nicht mehr hinter seinem Halbbruder Roger Borsa zurückstehen ließ.
Doch bald schon sollte Bohemund das Glück verlassen, allerdings nicht ohne eigene Schuld: Im Sommer 1100 folgte er dem Hilferuf des armenischen Herrn von Melitene (Malatya), einer 300 km von Antiochia entfernten Stadt im östlichen Anatolien jenseits des Taurosgebirges, die von Türken belagert wurde. Der lange Marsch in der Hitze schwächte Bohemund und seine 300 Ritter. Ein türkischer Emir lockte sie in einen Hinterhalt, fügte ihnen eine schwere Niederlage zu und nahm Bohemund und seinen Vetter Richard, einen Sohn Wilhelms von Principato (eine Grafschaft südöstlich von Salerno), gefangen. Erst nach zweieinhalbjähriger Gefangenschaft wurden sie im Frühjahr 1103 gegen Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen.
In Antiochia übte während Bohemunds Abwesenheit sein Vetter Tankred, ein Neffe Robert Guiscards (s. Tafel S. 89), die Regentschaft aus. Es gelang ihm, das Gebiet des Fürstentums erheblich zu erweitern: im Norden um das von christlichen Armeniern bewohnte Kilikien (1101), im Süden um die wichtige Hafenstadt Latakia (1103), die bisher in byzantinischer Hand gewesen war (s. Karte S. 88). Tankred konnte es allerdings nicht verhindern, dass Raimund von Toulouse und seine provenzalischen Ritter 1103 den noch weiter südlich gelegenen Hafen Tortosa besetzten und begannen, die Stadt Tripolis (im heutigen Libanon) zu belagern. Hier wurde nach ihrer Eroberung (1109) die gleichnamige Kreuzfahrergrafschaft errichtet, die im Norden an das Fürstentum Antiochia und im Süden an das Königreich Jerusalem angrenzte.
Nach seiner Rückkehr nach Antiochia (1103) ergriff Bohemund die Initiative. Auf Streifzügen im Herrschaftsgebiet Ridwans von Aleppo, östlich von Antiochia, machte er Gefangene,
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