Die Normannen
Unterdrückung und Verfolgung der im Orient lebenden Christen und besonders der Stadt Jerusalem durch die Muslime. Das Echo seines Aufrufs übertraf alle Erwartungen: «Deus lo vult!» (Gott will es), schallte es bald durch ganz Europa. Nicht nur viele Ritter, sondern auch andere Gruppen der Bevölkerung hefteten sich Stoffkreuze an ihre Kleidung und zogen nach Jerusalem. Die Kreuzzüge waren geboren. Obwohl das Christentum ursprünglich eine gewaltlose Religion war, wurde im Laufe der Jahrhunderte der Krieg zunächst geduldet, dann gerechtfertigt und schließlich sakralisiert:Aus dem gerechten Verteidigungskrieg wurde ein heiliger Krieg zur Wiedergewinnung der den Christen von den Muslimen entrissenen Gebiete. Die Kreuzfahrer sahen sich als Jerusalempilger und Ritter Christi, die das Heilige Land von der Unterdrückung durch die Ungläubigen befreien wollten.
Bald verbreitete sich die Meinung, der Papst habe denjenigen, die in den Orient zögen, nicht nur die Vergebung ihrer Sündenschuld versprochen, sondern dort auch die Gewinnung materiellen Besitzes in Aussicht gestellt. Nicht von der Kirche ermächtigte Wanderprediger schürten solche Vorstellungen vor allem in Frankreich und Deutschland; hinzu kam die Erwartung des baldigen Endes der Welt. Auf diese Weise brach in der ersten Hälfte des Jahres 1096 ein sogenannter Volkskreuzzug auf, der Züge einer spontanen Migrationsbewegung trug. Er gelangte aber nach der Durchquerung des Balkans nur bis in die Türkei, wo er ein blutiges Ende fand.
Mehr Erfolg hatte der Kreuzzug der Ritter, der als 1. Kreuzzug in die Geschichte eingegangen ist und 1099 mit der Eroberung Jerusalems endete. Ein solches Unternehmen erforderte eine Vorbereitungszeit von mehreren Monaten. Zunächst musste eine Menge Bargeld bereitgestellt werden, denn die Ausrüstung und die Verpflegung für Menschen und Tiere auf dem weiten Weg ins Heilige Land waren sehr kostspielig. Jeder Ritter benötigte neben Rüstung und Waffen mindestens drei Pferde: eines für den Marsch, eines für den Kampf und eines als Ersatz. Die meisten Ritter kamen aus Frankreich; hier fand der Appell des französischen Papstes das größte Echo. Deutsche und englische Ritter, die bei den späteren Kreuzzügen eine wichtige Rolle spielten, waren hingegen kaum vertreten. Die ersten Kreuzfahrer, ein kleineres Kontingent unter Graf Hugo von Vermandois, dem Bruder König Philipps I. von Frankreich, und ein größeres unter Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, brachen planmäßig Mitte August 1096 auf. Im Oktober folgte ein großes Heer provenzalischer Ritter, das von Graf Raimund IV. von Toulouse angeführt und von einem päpstlichen Legaten begleitet wurde; ferner ein nicht ganz so großes Kontingent von Normannen und Flamen, an dessen Spitze HerzogRobert II. von der Normandie, Graf Stephan III. von Blois und Graf Robert II. von Flandern standen. Als letzter brach Ende Oktober 1096 Bohemund mit seinen gut 500 süditalienischen normannischen Rittern auf.
Alle trafen sich in Konstantinopel, wo sie mit byzantinischen Schiffen den Bosporus überqueren wollten. Kaiser Alexios hatte eigentlich nur Hilfstruppen erwartet, die unter seinem Kommando gegen die Seldschuken in Anatolien und Nordsyrien kämpfen würden. Gekommen waren hingegen Kreuzfahrer, für die Jerusalem das primäre Ziel war. Alexios nutzte die Tatsache, dass einige Kontingente bereits im Spätherbst und Winter 1096, andere erst im darauffolgenden Frühjahr ankamen, um Druck auf die führenden Kreuzfahrer auszuüben. Er zwang sie, zu schwören, seine Oberhoheit anzuerkennen und alle vormals byzantinischen Gebiete, die sie erobern würden, zurückzugeben. Lediglich der mächtige Raimund von Toulouse weigerte sich; er schwor nur, die Person und den Besitz des Kaisers zu achten. Unklar blieb, was mit den ehemals byzantinischen Gebieten gemeint war: alle früheren byzantinischen Provinzen bis nach Palästina und Ägypten oder nur die in den letzten Jahrzehnten verlorenen Reichsteile in Kleinasien und Nordsyrien?
Für Bohemund war der Kreuzzug eine gute Gelegenheit, sich im Vorderen Orient einen eigenen Herrschaftsbereich aufzubauen. Sein Bruder Roger Borsa hatte ihm zwar den größten Teil des südlichen Apulien mit den Städten Oria, Tarent, Otranto und Gallipoli sowie Bari abgetreten; doch damit war Bohemund nicht zufrieden. Da er Bari (und nicht Tarent) als Zentrum seiner apulischen Besitzungen betrachtete, sollte man ihn nicht als Bohemund von
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