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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Hand- und Fußgelenke hatten zu bluten begonnen, und die Adern in seinem Hals schwollen immer mehr an. Ich sah meinem Ordensbruder in die Augen und bat ihn stumm, die Folter zu beenden. Doch seine Miene blieb völlig unbewegt.
    Pons stand von seinem Schreibpult auf und übergab sich in eine der Ecken. Schlimmer konnte der Gestank ohnedies nicht mehr werden.
    Bruder Subillais fuhr ungerührt mit seiner Befragung fort. »Gebt Ihr zu, dass Ihr die Kirche mit Worten verspottet habt?«
    Noch immer harrte Maurand aus. Ich beugte mich wieder über ihn. »Er wird nicht eher damit aufhören, bis die Bank Euch in zwei Stücke gerissen hat! Gesteht und macht dem ein Ende.«
    Maurands Augen waren nun blutunterlaufen und traten noch weiter hervor. Offenbar hatte er jedoch die Absicht, sich weiterhin zu widersetzen.
    »Ich werde nachsichtig mit Euch sein«, versprach Bruder Subillais. »Ich könnte mir als Buße zum Beispiel eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela vorstellen. Ihr werdet weder Euer Geld noch Eure Besitztümer verlieren.«
    Das war natürlich gelogen. Für die Sünden, die Maurand zur Last gelegt wurden, konnte es keine leichte Buße geben, keine Pilgerreise oder Zeit des Fastens. Doch der Kaufmann griff nach dem Strohhalm und nickte mit dem Kopf.
    »Ihr gesteht?«
    »Ja, ja, ja, ja! Um Himmels willen!«
    »Ihr gesteht, dass Ihr Euch höhnisch über die Kirche geäußert habt?«
    »Ja!«
    »Dass Ihr ein Abbild der Madonna mit Steinen beworfen habt?«
    »Ja!«
    »Dass Ihr Euch vor einem Parfait verbeugt und seiner Predigt gelauscht habt?«
    Ich stieß ein Keuchen aus. Wo kam diese Anschuldigung auf einmal her?
    »Ich gestehe alles!«
    Auf dem Gesicht meines Ordensbruders erschien ein Ausdruck tiefen Friedens. Er stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Stock und zitterte vor Erleichterung. Dann nickte er dem Henker zu, der die Winde löste.
    Als Maurand spürte, wie sich die Seile lockerten, begann er zu weinen.
    Der Notar schrieb das Geständnis nach Bruder Subillais’ Anweisungen nieder. Der Umstand, dass Folter angewendet worden war, fand in die Unterlagen keine Aufnahme. Laut Gesetz hatte Maurand einen Tag lang Zeit, sein Geständnis zu widerrufen. Ich hoffte, dass er klug genug war, es nicht zu tun.
    Nachdem Bruder Subillais ihm erneut Milde versprochen hatte, nannte Maurand uns die Namen einiger anderer Bürger, die in Häresie mit ihm verbunden waren. Er wollte uns wohl seine guten Absichten beweisen. Mein Ordensbruder warf mir einen triumphierenden Blick zu. Er hatte die Mauer des Schweigens zum Einsturz gebracht.
    Kalter Schweiß bedeckte meine Handflächen. Ich war einer Ohnmacht nahe.
    Wir verließen die Folterkammer und suchten Bruder Subillais’ Zelle auf, wo er sich mühsam hinkniete. Auch ich fiel auf die Knie und legte meine Hand auf sein Haupt.
    Der Heilige Vater hatte den Mitgliedern unseres Ordens das Recht zugestanden, sich gegenseitig Absolution zu erteilen, falls sie sich in Erfüllung ihrer Pflichten zu regelwidrigem Verhalten gezwungen sahen. Daher hörte ich nun erst Bruder Subillais’ Beichte, dann nahm er mir die Beichte ab. Wir sprachen einander von den Sünden los, die wir gerade begangen hatten.
    Bevor ich ging, erinnerte er mich noch einmal daran, dass alles, was wir getan hatten, zum Wohl von Maurands unsterblicher Seele und zur Ehre unseres Herrn Jesus Christus geschehen war.
    Ich gab ihm keine Antwort. Ich war von meinem Vater nicht dem Orden des Heiligen Dominik übergeben worden, um als Folterknecht zu enden. Wenn ich einen Menschen nicht vom Fehl seiner Gedanken und Handlungen überzeugen konnte, ohne dabei auf ein Instrument zurückzugreifen, das ihn eine Elle größer machte, dann – so schien es mir – hatte meine Bildung weder Sinn noch Nutzen.
    Ich verbrachte den Rest des Tages allein in meiner Zelle. Selbst an den Mahlzeiten nahm ich nicht teil. Ich vermochte mein Gewissen einfach nicht zu beruhigen.
    Bruder Subillais hatte meinen Verstand, auf den ich so stolz war, davon überzeugt, dass wir Gottes Werk taten. Doch es war mein Herz, mein aufsässiges Herz, das sich empörte und keinen Frieden fand.

SUBILLAIS
    Der Erzfeind war überall und der Kampf gegen ihn eine schwere Bürde. Manchmal beschlichen mich Zweifel, ob das Böse in der Welt überhaupt bezwungen werden konnte, denn die Menschen hielten beharrlich daran fest und missachteten Gottes Wort. Das Lamm wurde stets von Wölfen umkreist, wir Schäfer durften niemals ausruhen, niemals schlafen.
    Kurz vor

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