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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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trafen sich unsere Blicke, doch seine Miene blieb undurchdringlich.
    Die Reliquien wurden vorgezeigt. In vergangenen Jahren hatte die Gemeinde diese Handlung stets mit einem hörbaren Seufzen begleitet, doch diesmal meinte ich zu bemerken, dass sie nicht dieselbe Ehrfurcht aufbrachte wie sonst. Offenbar hatte Madeleines Vision großes Aufsehen erregt, sodass dass Père Michels Schatulle die Gläubigen nicht mehr sonderlich beeindruckte. Ich ahnte, dass dieser Umstand Einfluss auf Madeleine de Peyrolles’ Schicksal nehmen würde.
    Endlich war der Gottesdienst vorüber, und die Menge drängte hinaus. Das Schlachtross meines Bruders graste auf der Wiese neben dem Pfarrhaus. Es war wirklich ein prachtvolles Geschöpf und so viel Geld wert, wie ein Zimmermann in zehn Jahren verdiente. Christian wartete bereits auf mich. Raymond hörte sich gerade irgendwelche Beschwerden des Müllers an, der ihn vor dem Portal abgepasst hatte. Also ging ich allein hinüber, um mit meinem Bruder zu sprechen.
    »Guten Tag, Christian«, begrüßte ich ihn.
    »Guten Tag, Eleonore.« Wir umarmten uns nicht, denn das war nicht gestattet. Ein Templer durfte noch nicht einmal seine eigene Mutter küssen, da dies Anlass zu unreinen Gedanken geben konnte. Mir wäre eine Umarmung jedoch ohnehin zuwider gewesen. Es war unangenehm genug, so dicht vor ihm zu stehen.
    »Ihr habt sicherlich von den Morden gehört«, sagte ich.
    »Das müssen Räuber gewesen sein.«
    »Die Leichen lagen in der Nähe der Höhle.«
    Er schwieg.
    »Die Leute reden von Hexerei«, fuhr ich fort. »Die Körper sind verstümmelt worden.«
    »Das gemeine Volk sieht überall Hexerei.«
    »Die beiden Männer waren weder Bauern noch Pilger. Sie waren gewiss Templer.«
    Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass ich richtig geraten hatte. Dennoch sagte er: »Was für eine unsinnige Behauptung!«
    »Aber warum sonst sollte sich jemand die Mühe machen, ihnen die Köpfe abzutrennen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Das war keine Mühe.«
    »Aber was habt Ihr mit dem Familienschatz gemacht? Wo sind die Gebeine, Christian?«
    »Ich habe sie an einen sichereren Ort gebracht.«
    »Und dafür zwei Eurer Templerbrüder ermordet?«
    »Es geschah im Namen Gottes.«
    »Wenn die Menschen ausschließlich im Namen des Teufels töten würden, wäre die Welt ein friedvollerer Ort«, bemerkte ich.
    Er schüttelte den Kopf, als sei dies genau die Art von Beurteilung, die er von einer Frau erwartete.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, Euch gar nicht mehr zu kennen.«
    »Ich habe getan, was getan werden musste.«
    Ich sah, dass Raymond in unsere Richtung blickte. Er war ein äußerst eifersüchtiger Mann, aber welche Befürchtungen konnte er bezüglich meines Bruders hegen, eines erklärten Tempelritters?
    »Ich traue Raymond nicht«, murmelte Christian und meinte damit vermutlich, dass er mir nicht mehr traute. »Ich muss mit Eurem Gatten reden.«
    Ich stand neben meinem Pferd, gleichgültig gegenüber dem Getue meiner Hofdamen und den Höflichkeiten der vorübergehenden Bürger.
    Gefährliche Zeiten, gefährliche Familiengeheimnisse … Ich fragte mich, warum die Gebeine und unsere Abstammung mich überhaupt noch kümmerten. Wem nutzten sie jetzt noch? Christian träumte noch immer davon, der Welt eines Tages die Wahrheit über unsere Vorfahren zu verkünden und damit Ruhm und Ehre zu ernten. Er als Templer hatte nichts zu befürchten, doch für mich hingegen bedeutete die Enthüllung des Geheimnisses womöglich Daumenschrauben und Scheiterhaufen.
     
    *
     
    Jene beiden Männer, die wichtigsten Männer in meinem Leben, konnten es kaum im selben Raum aushalten. Sie versuchten noch nicht einmal, ihre gegenseitige Verachtung zu verbergen. Familiäre und finanzielle Verpflichtungen brachten sie jedoch immer wieder zusammen.
    Es wurden keinerlei Höflichkeiten ausgetauscht. Wir kamen auf der Stelle zur Sache.
    »Ihr seid in Gefahr«, wandte sich Christian an meinen Gatten.
    »Ich bin fortwährend in Gefahr«, erwiderte Raymond.
    »Der König hat seine Kundschafter angewiesen, Einnahmequellen aufzutun, um einen neuen Kreuzzug gen Osten zu finanzieren. Er beabsichtigt, Güter an sich zu reißen, wo er nur kann. Der Bischof bezeichnet Eure Position hier als schwach, und ein Inquisitor wird hierher kommen, der den Auftrag hat, Euch zu Fall zu bringen, auf welche Weise auch immer.«
    Ich bemerkte, dass Raymond ihm nicht glaubte, dass er die Wahrheit nicht sehen wollte. Er schien vollkommen verwirrt. »Mein Vater

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