Die Nymphe Eva
flehend an. »Schenken Sie mir etwas zu trinken
ein?«
Ich
goß ein Glas zu zwei Dritteln voll mit Scotch und gab es ihr. Sie trank es
eilig hinunter und schauderte, als sie wieder Luft bekam.
»Ah!«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist schon besser. Nun kann ich...«
Es
klingelte zweimal ungeduldig in kurzen Abständen, und das leere Glas plumpste
aus ihren Händen auf den Teppich.
»Da
ist er schon!« Ihre Stimme war ein unterdrückter Schrei.
»Sie
brauchen also nur die Tür zu öffnen und ihn hereinzulassen«, flüsterte ich.
Sie
schwankte einen Augenblick lang und ging dann langsam auf die Tür zu, die Rolle
der Marie Antoinette mit allen Einzelheiten zu Ende führend. Ich folgte ihr
lautlos, preßte mich gegen die Wand hinter der Tür und zog die Achtunddreißiger aus dem Gürtelpolster.
Ich
sah, wie sich Josies zitternde Hand ausstreckte, und dann schwang die Tür nach
innen auf, mir die Sicht nehmend.
»Josie!«
Ich hörte den drängenden Unterton in Marvin Lucas’ dünn klingender Stimme. »Ich
weiß, es ist mitten in der Nacht, aber es hat keine Zeit mehr. Heute nachmittag ist etwas schiefgegangen, und ich muß
herausfinden, was, zum Teufel...«
Seine
Stimme brach plötzlich ab, und ich wartete mit gequälter Spannung darauf, daß
Josie die beiden einfachen Dinge tun würde, die sie zu tun hatte — nämlich von
der Tür zurückzutreten und ihn aufzufordern, einzutreten.
»He!«
Marvins Stimme klang nervös vor Mißtrauen , als er
wieder sprach. »Was ist los mit dir, Baby? Du siehst so aus, als ob du ein
Gespenst gesehen hättest!«
»Tu’s
nicht!« stöhnte Josie mit von panischem Entsetzen erfüllter Stimme. »Versuch ja
nicht, mich zu erschießen. Hörst du? Der Lieutenant steht gleich hier hinter
der...«
Ich
reagierte im selben Augenblick, aber Lucas schlug mich um vielleicht eine halbe
Sekunde. Die Tür knallte mir mit brutaler Wucht ins Gesicht, so daß ich gegen
die Wand prallte und die Pistole zu Boden fiel. Ich war vorübergehend wie
betäubt, und in diesem Augenblick hörte ich Josies dünnes entsetztes Gejammer,
kurz bevor ein explosionsartiger Laut erfolgte, als Lucas ihr so kräftig ins
Gesicht schlug, daß sie in die Wohnung zurücktaumelte und sie auf dem Teppich
zusammensackte. Dann hörte ich das Geräusch seiner sich schnell draußen auf dem
Korridor entfernenden Schritte.
Ich
stieß die Tür zurück, hob die Pistole auf und rannte in den Korridor hinaus. Er
war nur noch ein paar Schritte von der Treppe entfernt.
»Stehen
bleiben, Lucas!« Er zögerte einen Augenblick beim Klang meiner Stimme und
rannte dann weiter. »Sie schaffen es doch nicht!« schrie ich.
Er
kam rutschend zum Stehen und drehte sich dann langsam halb zu mir um. Das
permanente ironische Grinsen schien noch tiefer in sein sonnengebräuntes
Gesicht eingeätzt zu sein, und seine hellblauen Augen starrten mich mit
derselben schneidenden Verachtung an, die er für die gesamte verdammte
verrottete Welt übrig hatte.
»Na?«
Er lachte leise. »Wenn das nicht der Polyp ist, der Komiker beim Fernsehen
werden möchte. Was ist los, Sie Hampelmann? Kommt jetzt ein Gag, mit dem Sie
die Situation meistern?«
»Strecken
Sie beide Arme geradeaus, Marvin«, sagte ich. »Und dann kommen Sie langsam
zurück. Ich verspreche Ihnen, daß Sie vor Lachen sterben, wenn Sie den Gag
kennenlernen.«
»Sind
Sie verrückt«, knurrte er verächtlich. »Aber ich streite mich nie mit einem
Polypen herum, wenn er eine Pistole in der Hand hält. Ich komme also, Polyp — hübsch
langsam, ganz wie Sie gesagt haben. Ach ja, ich habe es fast vergessen: die
Arme nach vorn ausgestreckt!«
Er
drehte sich vollends zu mir um und hob im gleichen Augenblick die Arme so
schnell, daß sie nur eine verschwommene Masse bildeten, und als ich die Pistole
in seiner Hand sah, war es zu spät. Der Knall hallte donnernd an den Wänden des
schmalen Korridors wider, und ich spürte, wie mit einem Schlag mein rechter
Oberschenkel zu brennen begann.
Dann,
im Bruchteil eines Augenblicks, bevor ich losdrückte, produzierte mein
Erinnerungsvermögen ein ganzes Bündel zu bedenkender Fakten: Es war Lucas
gewesen, der sowohl den Wachmann als auch Sam Fletcher umgebracht hatte — es
war Lucas, der wußte, wo der gestohlene Schmuck versteckt war — und, was fast
das Wichtigste war, er war der Bursche, der wußte, was aus dem verschwundenen
Dane Garow geworden war. Die Liste war eindrucksvoll
genug, um mein Handgelenk leicht zucken und den Lauf meiner
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