Die Nymphe Eva
er sagte, ich täte gut daran, klug zu sein und ihm zu
geben, was er haben wolle, sonst würde er dafür sorgen, daß Sam den Rest seines
Lebens hinter Gittern verrotten würde. Ich sagte ihm, er lüge, weil ich wüßte,
daß mein Mann unschuldig sei — und dann lachte er auf seine gräßliche ,
verächtliche Weise und fragte, was das damit zu tun habe?«
»Um
Himmels willen, warum erheben Sie keinen Einspruch? Tun Sie doch etwas!«
zischte ich Levine zu.
»Das
wäre zu diesem Zeitpunkt nicht klug«, flüsterte er zurück. »Ich werde mich
später mit ihr auseinandersetzen. Wenn sie lügt, kriege ich das aus ihr
heraus.«
»Wenn—!« sagte ich so schockiert, daß ich es beinahe
herausschrie.
Levine
winkte mir, still zu sein. Der Richter warf mir einen unangenehmen Blick zu.
»Wir
wollen zu dem Tag kommen, als Ihr Mann ermordet wurde«, sagte Cranston mit Grabesstimme. »Er ging mit Mandel und dem
Angeklagten gegen elf Uhr dreißig vormittags weg. Stimmt das?«
»Ja.«
»Was
taten Sie dann, Mrs. Fletcher?«
»Ich
aß zu Mittag und ging dann einkaufen. Ich glaube, daß ich gegen siebzehn Uhr
zurückkam«, sagte Josie. »Dann blieb ich in der Wohnung und setzte mich vor den
Fernseher. Sam hatte mir gesagt, er käme erst spät nach Hause, so daß ich mir
keine besonderen Sorgen machte. Dann rief Herb Mandel gegen Mitternacht an, und
in dem Augenblick, als ich den Hörer abhob, klingelte es an der Wohnungstür.
Herb erzählte mir, was mit Sam geschehen war und wie sehr ihm das Ganze leid
täte. Ich glaube, ich war noch immer ganz benommen, als ich die Tür öffnete und
Lieutenant Wheeler eintrat.
Er
wollte mir mitteilen, daß mein Mann ermordet worden sei; und ich sagte ihm, ich
wüßte es bereits, da Herb ein paar Minuten vorher angerufen habe. Dann sagte
er, ich könne von Glück reden, eine Ratte wie Sam losgeworden zu sein, und es
sei an der Zeit, daß ich herausfände, wie es wäre, wenn man einen richtigen
Mann liebte.« Ihre Stimme schwankte überzeugend. »Ich — ich wurde direkt
hysterisch. Ich schrie ihn an, er solle gehen — ich hätte meinen Mann mehr als
alles auf der Welt geliebt — , und ich ließe mir meine Erinnerungen an ihn
nicht von ihm beschmutzen! Er goß sich etwas zu trinken ein setzte sich dann in
einen Sessel und lachte mich einfach aus. Nach einer Weile wurde mir klar, wie
hilflos ich war, allein in der Wohnung mit ihm mitten in der Nacht und nun ohne
Mann, der mich beschützen konnte — und daß Sam nie mehr nach Hause kommen
würde!«
Sie
vergrub plötzlich das Gesicht in den Händen und begann aufs Anmutigste zu
weinen.
» Mrs. Fletcher, brauchen Sie ein wenig Zeit, um sich zu
fassen?« Die Stimme des Anwalts verträufelte Mitgefühl wie ein umgedrehtes Faß Zuckersirup.
»Nein,
es geht mir schon wieder ganz gut.« Sie hob tapfer ihr tränenüberströmtes
Gesicht und fuhr in ihrer Glanzrolle fort, mit der sie mich bereits so gut wie
geliefert hatte. Ich wartete nur noch auf meine restlose Vernichtung.
»Ich
versuchte, ihn anzuflehen«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Ich
appellierte an sein Mitgefühl, an seine Menschlichkeit, an sein Anstandsgefühl!
Je mehr ich sagte, desto mehr lachte er. Schließlich bettelte ich um Erbarmen — daß
er wegginge und mich allein ließe. Aber er sagte, er ginge nicht eher weg, bis
ich nachgegeben hätte. Ich sagte ihm, lieber würde ich mich vorher umbringen.
Er starrte mich wie ein Verrückter an und nahm dann eine Pistole aus seiner
Tasche und legte sie auf den Tisch. >Das ist die Pistole, die deinen Mann
umgebracht hat, Baby<, sagte er mit schrecklicher Stimme. >Wenn du nicht
voranmachst, dann schwöre ich, daß ich sie hier in deiner Wohnung gefunden
habe!< Ich war so entsetzt bei dieser Drohung, daß ich nur dastand und ihn
anstarrte, und er stand vom Stuhl auf und ging zu mir in die Mitte des Zimmers,
packte mein Négligé mit beiden Händen und versuchte,
es herunterzuziehen. Es zerriß bis zu meiner Taille,
und ich schrie. Das schien ihn noch mehr zu erregen, aber das Telefon
klingelte, bevor er noch etwas tun konnte. Er wies mich an, mich zu melden für
den Fall, daß es sein Büro wäre, das nach ihm suchte, aber vorsichtig zu sein
mit dem, was ich sagte.
Als
ich mich meldete, war es Marvin Lucas, der vom Drugstore an der Ecke anrief, um
sich zu erkundigen, ob Sam in die Wohnung zurückgekehrt sei. Ich nahm das
verzweifelte Risiko auf mich und schrie in den Apparat, Sam sei tot und der
Lieutenant sei in der Wohnung und
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