Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
Vom Netzwerk:
die Plackerei auf dem Capitol Hill ersparen – er war dort noch immer so neu, dass er sich in den Korridoren verirrte – und gleich das Präsidentenamt ansteuern. »Dieses Land ist bereit für eine Politik des Wandels, wie sie von John F. Kennedy, Ronald Reagan und Franklin Roosevelt verkörpert wurde«, sagte Obama im selben Monat zu Joe Klein vom
Time Magazine
 – ein kühner Selbstvergleich. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Amerikaner noch keine Ahnung, wer Barack Obama war.
    Hoffnung wagen
war in gewisser Weise ein typisches politisches Manifest – mit einer Ausnahme: Barack hatte ein ganzes Kapitel seiner Familie gewidmet und der Frage, welchen Preis sie für seine Karriere zahlen musste. Bei der Buchpräsentation in Chicago sprach er das Thema erneut an. »Ich möchte über meine Familie reden und darüber, wie schwer dieser Weg für sie gewesen ist«, waren seine einleitenden Worte. Weiter kam er nicht; von Tränen überwältigt, wandte er sich ab und ging allein zum Eingang des Zeltes.
    Was die meisten Außenstehenden nicht wussten: In Wirklichkeit war es Michelle Obama, auf deren Entscheidung alle warteten. Barack Obama hatte seiner Frau das Vetorecht eingeräumt. Und sie war geneigt, davon Gebrauch zu machen. Würde ihr Mann mit ein paar Jahren Washington-Erfahrung nicht bessere Erfolgsaussichten haben? [5]
    Michelle Obama wusste auch, dass sich ein Präsidentschaftswahlkampf möglicherweise als ein Fluch für ihre Kinder erweisen würde. Das bestätigten ihr unter der Hand auch viele in Washington: Sich um das Präsidentenamt zu bewerben hieß, die nächste Generation zu opfern. Die Kinder von Kandidaten, und erst recht die Kinder von Präsidenten, mussten miterleben, wie ihre Eltern täglich unter Beschuss gerieten, und manchmal wurden auch die Kinder selbst zur Zielscheibe grausamen Spotts. Andererseits glaubte sie an das, was ihr Mann als Präsident tun wollte. Die Verantwortung für die Entscheidung habe schwer auf ihr gelastet, berichtete Susan Sher, die damals im Medical Center Michelles Chefin war. Würde wirklich sie es sein, die ihn abhielt?
    Barack Obama stand noch immer schweigend am Zelteingang. Doch dann kam Michelle nach vorne und schlang ihre Arme um ihn. Er hatte ein Zugeständnis gemacht – vor aller Augen hatte sich der dankbare Ehemann vor seiner Frau verneigt. Die Obamas machten das manchmal, sie sagten in der Öffentlichkeit Dinge, die eigentlich an den jeweils anderen gerichtet waren. Die Anwesenden klatschten und johlten vor Erleichterung. Die meisten von ihnen wussten, was die beiden durchgemacht hatten. Und möglicherweise war Michelles Umarmung ja auch ein Zeichen dafür, dass sie ihre Zustimmung zur Kandidatur gab.
    Einige Wochen später sagte sie zu ihrem Bruder Craig Robinson: »Ich glaube, wir ziehen das durch.« Die Berater ihres Mannes staunten, dass sie ja gesagt hatte. Sie erlaube ihrem Mann die Kandidatur nur, damit er verlieren und seine Ambitionen auf das Präsidentenamt begraben würde, frotzelten sie. Tatsächlich war Michelle Obama zu dem Schluss gekommen, dass ihre Familie mit dem Stress umgehen könne und dass ihr Mann eine realistische Chance hatte zu gewinnen. Und noch etwas anderes trieb sie an, das ihr Mann später einmal so umschrieb: die Möglichkeit, dass »ich imstande sein könnte, die Parteilichkeit, die Blockade der letzten zwanzig Jahre zu durchbrechen, und [dass ich] unserer Politik eine neue Perspektive eröffnen könnte« [6] . Im Gegenzug rang Michelle Obama ihrem Mann ein Versprechen ab, das sie seit Beginn ihrer Ehe an ihn herangetragen hatte: Wenn er kandidiere, müsse er mit dem Rauchen aufhören.
    Trotz all der großen Vorsätze, die Politik des Landes zu verändern, konnte Barack Obama in Sachen Kandidatur erstaunlich zögerlich klingen. Er stand auf dem Sprungbrett und stellte, während er sich auf den Sprung vorbereitete, fest, dass das Wasser unter ihm sehr kalt sein konnte. »Das Leben meint es gut mit mir«, bemerkte der künftige Kandidat gegenüber Freunden. »Ich bin nicht wie Clinton.« Damit wollte er wohl sagen, dass er kein Vollblutpolitiker sei und sich nicht nach Kontakt mit wildfremden Menschen sehne. »Ich brauche das nicht«, fuhr er fort. »Ich brauche gar nichts.« Ein paar Wochen später erklärte er seine Kandidatur.
    ***
    Wie häufig in einer langjährigen Ehe, vertraten Barack und Michelle Obama nun nicht mehr so extrem entgegengesetzte Standpunkte wie früher. Es habe eine Zeit gegeben, in der Michelle

Weitere Kostenlose Bücher