Die Obamas
Matthew Dowd, der unter Bush gearbeitet, sich dann aber von ihm abgewandt hatte, und Ken Duberstein, ehemaliger Stabschef unter Reagan.
Die Besprechungen fanden im Oval Office statt, das Essen wurde im nahe gelegenen privaten Speisezimmer eingenommen, das mit einem roten, mit goldenen Sternen bestickten Teppich und einem Porträt von Lincoln im Kreise seiner Berater dekoriert war. Der Lunch begann jedes Mal mehr oder weniger auf die gleiche Art und Weise. Der Präsident und sein jeweiliger Gast nahmen jeweils am Kopfende des polierten Esstischs Platz, zwischen sich vier leere Plätze und ein geschmackvolles kleines Blumenarrangement. Ein Kellner servierte das Essen, immer etwas Gesundes, Salat etwa, und anschließend Fisch mit Gemüse, alles in kleinen Portionen. Für den üblichen Klatsch und die Anekdoten, die einen politischen Lunch normalerweise ausmachen, ließ der Präsident wenig Raum. Nach kurzem Geplauder kam er gleich zur Sache: der großen Frage, die ihm am Herzen lag – »Sagen Sie mir alles, was wir Ihrer Meinung nach falsch gemacht haben.«
Er meinte tatsächlich
alles:
politische Inhalte, politische Strategie, Management, Kommunikation. Obama hörte zu, sagte wenig und war oft vor seinem Gast mit dem Essen fertig.
Die Essen dauerten eine bis anderthalb Stunden – eine lange Zeit für einen Präsidenten. Die Gäste äußerten sich ganz offen. Es gebe im Weißen Haus mehrere Lager, und die Verwaltung funktioniere nicht, sagten ihm einige. Zu viele verschiedene mächtige Akteure konkurrierten um Zugang und Einfluss – Biden, Emanuel, Jarrett, Axelrod, Gibbs.
In diesem Gewirr aus Zuständigkeiten und Personen wisse niemand genau, wo die wahre Macht sitze. Er habe sich mit Menschen umgeben, die ihm zu nahestünden, die nicht genug von der Welt draußen wüssten und über wenig Erfahrung im Weißen Haus verfügten. Er brauche eine konventionellere Struktur, die einen straffen Entscheidungsfindungsprozess ermögliche, gesteuert von einem Stabschef, der über echte Autorität verfüge. Der Präsident habe nicht genug in die überparteiliche Zusammenarbeit investiert, beklagten Demokraten wie Republikaner; er lasse sich zu leicht durch die Blockadepolitik ausbremsen. Auch hätten die Wähler bei den Zwischenwahlen keineswegs nur auf die wirtschaftliche Lage reagiert, sondern auch auf Obama selbst. Einige Gäste kritisierten die Politik des Präsidenten: Er habe sich zu viel vorgenommen, vor allem mit der Gesundheitsreform. Seine Beziehungen zu führenden Wirtschaftsvertretern seien miserabel, in Zeiten der Krise sei dies ein unhaltbarer Zustand. Gleiches gelte für seine Informationspolitik. Zwei Drittel der Amerikaner, die bei den Zwischenwahlen ihre Stimme abgegeben hätten, schrieb David Brooks etwa zur selben Zeit in einer Kolumne, hätten den Meinungsforschern gesagt, das Konjunkturpaket sei schädlich für die Wirtschaft oder ändere jedenfalls nichts, obwohl Wirtschaftswissenschaftler dem Gesetz fast durchweg eine positive Wirkung bescheinigt hatten.
Der Präsident habe gehandelt, ohne das amerikanische Volk bei seinen Entscheidungen mitzunehmen. Auch in seinen Wahlreden habe Obama die eigentlichen Sorgen der Wähler kaum angesprochen.
Eine dieser Zusammenkünfte hatte einen herberen Charakter als alle anderen. An einem Herbstvormittag gab der Präsident im Roosevelt Room ein Frühstück für einige der Kongressmitglieder, die ihren Sitz verloren hatten. Unter ihnen waren Kathy Dahlkemper aus Pennsylvania, John Spratt aus South Carolina, Jim Oberstar aus Minnesota und Melissa Bean aus Illinois, allesamt aus sehr gemäßigten Wahlkreisen im Mittleren Westen. Bei Tisch sagten ihm die Gäste, dass er rasch handeln müsse, wenn er nicht wolle, dass es ihm 2012 genauso ergehe wie ihnen. Die generelle Botschaft war laut Dahlkemper, die ihren Sitz nach nur einer Amtsperiode verloren hatte: »Sie müssen politisch mehr Gas geben.« Die Gäste wollten ihm nahebringen, welche Sorgen sich die Menschen daheim in ihren Wahlkreisen machten und welche Ängste die Wähler umtrieben. Die Tea Party sei eine mächtige Welle, deren Kraft er nicht unterschätzen dürfe, so Spratt.
Kathy Dahlkemper sagte dem Präsidenten, sie habe die Wahl wegen der »schrecklichen Verlautbarungen« seines Teams verloren. »Egal, was ich tat, immer war da die viel wichtigere Botschaft, die aus dem Weißen Haus kam.« Dass die Regierung ihre Leistungen nicht genügend herausgestellt habe, auch nicht auf relativ spezialisierten
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