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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Und so drängte sie die beiden nun sanft, sich zu öffnen und den Zuschauern mitzuteilen, wie es ihnen wirklich im Weißen Haus ergangen war. Kaum jemand verstand es so wie sie, die Verletzlichkeit der Interviewten zu offenbaren und ihnen mit großem Einfühlungsvermögen Geständnisse zu entlocken. Zwei Jahre lang hatten die Obamas Vorsicht walten lassen, hatten befürchtet, man könnte ihre Worte gegen sie verwenden. Doch Oprah gelang es, ihnen zu suggerieren, dass die Menschen sie schon verstehen würden.
    »Was denkt ihr über die Ehe?« – eine klassische Oprah-Frage.
    Michelle wiederholte fast wörtlich, was sie beide vor Jahren auf einem Hügel in Hawaii bei der Hochzeit seiner Schwester gesagt hatten: Leicht sei es nicht, es sei ein Kampf. »Die Leben zweier Menschen miteinander zu kombinieren und neue Menschen großzuziehen – da sind Katastrophen vorprogrammiert. Es gibt Höhen und Tiefen. Aber wenn man sich am Ende in die Augen sehen und sagen kann, ich mag dich …«
    Bei ihrem ersten Auftritt in der Talkshow war Michelle gehemmt gewesen, hatte im Schatten ihres Mannes gestanden. Jetzt aber blieb sie im Fokus der Scheinwerfer, nicht nur, weil ihr Mann ihr den Vortritt ließ, sondern auch, weil sie die Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Als Oprah den Präsidenten fragte, ob er enttäuscht darüber sei, wie schwer sich manches in Washington durchsetzen ließ, unterbrach Michelle sie: »Oft tut es weh, das mit anzusehen.« Sie hatte seit dem ersten Interview einen weiten Weg zurückgelegt, nicht nur was ihren Auftritt, auch was ihre Zuversicht betraf – ihre wirkte größer als seine.
    Beim Thema Wiederwahl verwies der Präsident auf seine Frau: »Bei solchen Entscheidungen hat Michelle immer ein Vetorecht«, sagte er.
    »Ich sollte öfter davon Gebrauch machen«, warf sie ein, als dämmerte ihr das erst jetzt. Die Zuschauer lachten entwaffnet. Doch dann fügte Michelle Obama hinzu, welche Ehre es sei, dem Land dienen zu dürfen, und wie viel der Präsident noch vorhabe.
    Michelle äußerte sich in Interviews seit langem kaum noch zu den Aufgaben oder Visionen ihres Mannes; sie beschränkte sich strikt auf ihre eigene Tätigkeit. Als Oprah sie jedoch fragte, ob es sie überrascht habe, dass er Präsident geworden sei, gab sie nur eine knappe Antwort und schlug dann eine ganz andere Richtung ein: Sie hob an zu einer flammenden Verteidigung seiner Amtsführung.
    »Ich habe den Wählern immer gesagt: Die Frage ist nicht, ob Barack bereit ist, Präsident zu werden«, sagte sie. »Die Frage ist, ob
wir
bereit dafür sind. Und das bleibt auch weiterhin die Frage, die wir uns stellen müssen.« Sie kam immer mehr in Fahrt. »Sind wir bereit für den Wandel?«, brach es aus ihr hervor. »Sind wir bereit, Opfer zu bringen und Kompromisse zu schließen, sind wir wirklich bereit, alles zu geben?
Er
jedenfalls ist es.«
    Bewusst oder unbewusst wiederholte sie, was sie während des Wahlkampfs 2008 in Schwierigkeiten gebracht hatte: Worte uneingeschränkter Bewunderung für ihren Mann, einen Präsidenten, den zu würdigen die Menschen zu träge oder zu ignorant seien. Während seiner gesamten politischen Karriere hatte sie sich immer wieder in diesem Sinne geäußert. Ihrer Überzeugung nach war er ein guter, ein besonderer Mensch, und sie sorgte sich, ob man ihn verstehen und schätzen würde.
    Sie fühlte sich sicher auf Oprahs behaglicher Couch, und das hatte ihr die Zunge gelockert. Für sie war Barack Obama ein Opfer fehlender öffentlicher Anerkennung und nicht ein Präsident, dessen gewaltige Fehler ihn geschwächt hatten. Ihre Maßstäbe waren hoch, und Barack hatte ihnen genügt. »Er hat die Leistung gebracht, die ich von ihm erwartet habe«, sagte sie und klang dabei wie eine besonders strenge Lehrerin.
    Der Präsident saß während dieses Ausbruchs reglos da. Er sah sie eindringlich an, nahm jedes ihrer Worte in sich auf. Ihr Argument, eine oberflächliche, unreife Nation wisse diesen außergewöhnlichen Präsidenten nicht zu schätzen, half nicht gerade dabei, die Massen für ihn zu gewinnen, das war ihm klar. Doch sein Gesichtsausdruck verriet Liebe und Dankbarkeit. Seit zwei Jahren wurde seine leidenschaftlichste Verteidigerin in die Schranken der Höflichkeit gewiesen, die das Amt der First Lady gebot. Jetzt trat sie für einen Moment daraus hervor.
    ***
    Seit jenem ersten gemeinsamen Auftritt bei Oprah Winfrey, seit sie ins Weiße Haus eingezogen waren, hatten sich die Positionen des

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