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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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konnte, dass man so viel riskierte und am Ende dennoch mit leeren Händen dastand. In all den Jahren, in denen ihr Ehemann einen Sieg nach dem anderen errungen hatte, war es Michelle Obama gelungen, ihre Bedenken beiseitezuschieben. Nun hatte sich das Blatt gewendet, eine fatale Niederlage drohte – und die nahm sie viel schwerer als er. »Er ist kaltblütig genug, um weiterzumachen, sie ist es nicht«, sagte ein Berater.
    Barack Obama betrachtete seine engsten Berater eigentlich immer im besten Licht und war überzeugt, dass er ihre Fehler und Schwächen kompensieren konnte. Nachsicht war eine seiner tief verwurzelten Eigenschaften. Er war der Sohn eines arroganten, selbstsüchtigen Vaters gewesen, der ihn verlassen hatte. Seine Mutter hatte ihn als kleines Kind, trotz aller Liebe, über den Ozean zu Verwandten geschickt. Hätte er das Verhalten seines Umfelds allein nach strengen Normen beurteilt, ohne vergeben zu können, wäre ihm niemand geblieben. Der Mann, der im Grunde allein für seine eigene Entwicklung zuständig gewesen war, hatte eine Schwäche für all die Menschen, die ihn in den verschiedenen Phasen seines Lebens unterstützt hatten. Schon früh hatten einige von Obamas Freunden ihre Bedenken in puncto Reverend Jeremiah Wright jr. geäußert, dem Pastor aus Chicago, der schließlich zum Problem für ihn wurde. Angefangen hatte es bei Obamas Trauung, als sich Wright in einer, wie es hieß, unangemessenen Predigt über das Sexualleben des Brautpaars ausgelassen hatte. Für Obama zählte indes, dass der Pastor ihn während des verlorenen Wahlkampfs 2000 unterstützt hatte. Auch nach den umstrittenen Äußerungen des Reverend hielt Barack ihm die Treue. Erst als der keinerlei Einsicht zeigende Wright ihn immer wieder in Verlegenheit brachte, fühlte sich der Präsidentschaftskandidat 2008 genötigt, den Kontakt zu ihm abzubrechen.
    Besonders loyal verhielt sich der Präsident den Mitarbeitern gegenüber, die seinetwegen etwas aufgegeben hatten: die eigens umgezogen waren oder seinetwegen Wochenendehen führten, selbst wenn sie gehörig von ihm profitiert hatten. Axelrod hatte als Erster im politischen Establishment Obamas Potenzial erkannt und dafür gesorgt, dass dieses Potenzial auch wahrgenommen wurde. Gibbs hatte ihm 2004 auf dem Parteitag der Demokraten bei seiner Rede geholfen und ihn jahrelang vor den Attacken der Medien geschützt. Emanuel hatte seinen Vorsitz im Repräsentantenhaus aufgegeben und seine eigenen politischen Ambitionen in den Dienst des Präsidenten gestellt. Angesichts der Anforderungen seines Amtes war Obama von allen drei Männern in hohem Maße abhängig.
    Die First Lady hingegen beurteilte Menschen weniger sentimental, für sie zählte deren Leistung. Sie stammte aus einer Familie, in der es keine Selbstverständlichkeit war, dass man es zu etwas brachte (die Zugehörigkeit zu einer unterprivilegierten Bevölkerungsgruppe, der Kampf gegen Rassenschranken, die körperlichen Gebrechen des Vaters). Dennoch taten die Eltern alles, um einen höheren sozialen Status zu erreichen und zwei ihrer Kinder zum Studium nach Princeton schicken zu können. In der Familie Robinson gab es kein Pardon – und wo Barack Obama Versagen eher als systemimmanent bewertete, neigte seine Frau wesentlich schneller zu Schuldzuweisungen.
    Vielleicht am schwersten an Scott Browns Sieg wog für die First Lady, dass in diesem Zusammenhang etwas ganz Entscheidendes verlorengegangen war: nämlich die Überzeugung, dass dieser Präsident kein gewöhnlicher Politiker war, sondern über den Gepflogenheiten von Washington stand. Die öffentliche Empörung über das Gemauschel mit Nebraska und der Pharmaindustrie war unüberhörbar, und die Auswertung des Wahlergebnisses in Massachusetts zeigte, dass Browns Sieg auch ein Zeichen des Protests gegen diese Mauschelei war. Die Wähler betrachteten Barack Obama inzwischen als Mitverursacher des Problems. Wie manche andere First Lady vor ihr, kämpfte Michelle also um den Erhalt
ihrer
Vision des Präsidenten, und in diesem Sinne verlor sie genauso viel wie er.
    Emanuel registrierte die Niedergeschlagenheit des Präsidenten und äußerte sich im Weißen Haus empört über die Kritik der First Lady – das bestätigten drei Mitarbeiter, mit denen er dar-über gesprochen hatte. Später bestritt Emanuel, sich über die First Lady ausgelassen zu haben, er habe sich lediglich über den Verlust des Senatssitzes aufgeregt. Emanuel hasste es, wenn jemand die Regierung von

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