Die Obamas
in der Regel nur für die beiden selbst von Belang gewesen. Inzwischen war es von öffentlichem Interesse, wann sie sich einen schönen Abend machten und wie sie sich einrichteten – und ihre unterschiedlichen politischen Philosophien in puncto Regierungsstil hatten zu zwei unterschiedlichen Ansätzen geführt, wie man die Gesundheitsreform in Angriff nehmen sollte. Jetzt wurde also nicht mehr über unerledigte Hausarbeit debattiert, sondern über den verpatzten Wahlkampf um einen Senatorensessel und die Neukonzeption des amerikanischen Gesundheitssystems.
Die Klagen der First Lady über die Mannschaft des Präsidenten ähnelten in vielerlei Hinsicht den persönlichen Vorwürfen, die sie ihrem Mann früher gemacht hatte. Alle seien planlos, keiner halte sie auf dem Laufenden, jeder konzentriere sich nur auf die eigenen Bedürfnisse; man nehme riskante Projekte in Angriff, ohne potenzielle Fehlschläge in Betracht zu ziehen – all diese Kritikpunkte hatte sie gebetsmühlenartig wiederholt. Und die Bedenken, die sie gegen einige Mitarbeiter vorbrachte (etwa Emanuels Hang zu Mauscheleien und Gibbs’ ewiges Schielen auf die Reaktionen der Öffentlichkeit), klangen, als könne sie der Berufswahl ihres Mannes nichts abgewinnen. Für Michelle Obama repräsentierten die Machtunterschiede zwischen dem Ost- und dem Westflügel die institutionalisierten Machtverhältnisse, gegen die sie seit langem zu Felde zog.
Einen weiteren Beleg dafür, dass sich die Mitarbeiter im Westflügel keinen Deut darum scherten, was im Ostflügel vor sich ging, erhielt die First Lady im Zusammenhang mit ihrem von langer Hand geplanten Aktionsprogramm »Let’s Move«, das wenige Wochen nach der Niederlage in Massachusetts offiziell vorgestellt werden sollte. Es war ein chaotischer, verschneiter Wintertag, an dem der Präsident ein Treffen beider Parteien zum Thema Gesundheitsreform anberaumt hatte, dem eine Fernsehansprache folgen sollte. Eher zufällig stellten Mitarbeiter des Ostflügels fest, dass die First Lady fast zeitgleich mit dem Präsidenten auftreten würde – was eine unglückliche Überschneidung ihrer jeweiligen Fernseh-Statements zufolge gehabt hätte. Als man die Kollegen im Westflügel darüber informierte, reagierten diese beleidigt und schienen äußerst unwillig, den Terminplan des Präsidenten entsprechend zu korrigieren. Und das, obwohl der Zeitpunkt für den Startschuss des Gesundheitsprogramms seit langem bekannt war. Der Westflügel agierte, als habe er davon keine Kenntnis gehabt.
Bis zum März hatte sich die Stimmung so eingetrübt, dass die Mitarbeiter des Ostflügels eine Klausurtagung im nahe gelegenen Blair House anberaumten. Mit Patricia McGinnis, einer Expertin in Führungs- und Regierungsfragen, als Moderatorin wollte man über die fehlende Koordination zwischen den Abteilungen und über die Frage diskutieren, ob die Mitarbeiter des Präsidenten dem Ostflügel mangelnden Respekt entgegenbrachten. Zwischen Michelle und Barack Obama war es immer selbstverständlich gewesen, dass man sich auf Augenhöhe begegnete; nun musste man dafür eigens eine Sitzung einberufen und die Meinung einer Expertin einholen.
Gleichzeitig gestatteten sich die Berater des Präsidenten inzwischen Bemerkungen über die First Lady, die ihr Ehemann sich verkniff. Obama frotzelte zwar gelegentlich über die Kraft und Willensstärke seiner Frau, als wolle er der Welt klarmachen, womit er Tag für Tag konfrontiert war; aber seine Kommentare blieben immer humorvoll, nie äußerte er in der Öffentlichkeit explizit Kritik an ihr.
Dennoch trafen die Nörgeleien seiner Berater einen wunden Punkt. So hatte er in seinem Buch
Hoffnung wagen: Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream
geschrieben, dass er in einer schwierigen Phase seiner Ehe nicht verstanden habe, warum sie sich beklagte. Damals hatte er seiner Frau übelgenommen, wie hart sie mit ihm ins Gericht gegangen war. Und nun hieben Obamas Berater genau in dieselbe Kerbe.
Angesichts solcher Spannungen wünschten sie sich manchmal, dass die Obamas manches untereinander austragen würden. Allein schon die Terminplanung bot reichlich Raum für Konflikte: Der Tagesablauf des Präsidenten wurde von einem dreiunddreißigköpfigen Team geplant, Probleme bei der Koordination waren vorprogrammiert. Mal waren die Auslandsreisen des Präsidenten zu vollgepackt; dann wieder wollten die Obamas die Mädchen mitnehmen, aber die Reise fand nicht in den Ferien statt. Manchmal überbrachten
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