Die Obamas
Schluss feststellen«, erklärte er. »Keine der großen Aufgaben, die wir in diesem Land vor uns haben, ist einfach«, sagte er. »Jeder tut so, als sei alles kinderleicht. Aber diese Aufgaben sind schwierig. Sie sind hart. Die Gesundheitsreform ist eine große, komplexe Angelegenheit – schwer zu verwirklichen. Dennoch dürfen wir uns davor nicht drücken. Wir können nicht plötzlich behaupten, dass die Vereinigten Staaten oder der Kongress sowieso nichts Großes zustande bringen; dass wir uns lieber auf das konzentrieren sollten, was nicht kontrovers ist; dass wir auf Nummer sicher gehen sollen. Wenn wir das tun, werden wir den Herausforderungen des einundzwanzigsten Jahrhunderts nie gerecht werden.«
Die Entscheidung, die Gesundheitsreform weiter voranzutreiben, hatte der Präsident getroffen, nicht seine Frau. Im Grunde sei es gar keine Entscheidung gewesen, erklärten die Berater später: Es gab keinerlei Hinweise, dass der Präsident je erwogen hatte aufzugeben. Er machte einfach weiter, in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden. Nancy Pelosi, die Fraktionsvorsitzende der Demokraten, bestärkte ihn darin. Die Reform abzublasen oder drastisch zu verkleinern wäre einer Niederlage gleichgekommen – nur der unappetitliche Kuhhandel wäre dann übrig geblieben und hätte all seine Leistungen des vergangenen Jahres zunichtegemacht.
Barack Obama hatte sich entschieden – auch gegen den Rat seiner Berater. Er hatte unter den vielen divergierenden Ansichten, bei denen sein Chefberater und seine Frau die extremen Gegenpole markierten, seine Wahl getroffen. Und blickt man zurück, so war es wohl diese Entscheidung, die Gesundheitsreform weiterzubetreiben, die den Anfang vom Ende der Laufbahn Rahm Emanuels im Weißen Haus markiert. Der Präsident hätte Emanuels Rat befolgen können: Er hätte sein Vorhaben begrenzen, seine Verluste eindämmen und sich den massiven Bedenken der Demokraten im Kongress beugen können. Stattdessen hatte er zum zweiten Mal in wenigen Monaten die Vorstellungen seines wichtigsten Mitarbeiters verworfen und war auf eine Linie geschwenkt, die eher den Vorstellungen der First Lady entsprach.
Nachdem er den Kürzeren gezogen hatte, begann Emanuel der Welt klarzumachen, wie kategorisch er gegen die Beschlüsse des Präsidenten war. Einige seiner Kollegen dachten, es gehe ihm darum, seine Ehre zu retten, andere meinten, er könne einfach nicht anders. Manche Journalisten behandelte er plötzlich wie Freunde oder sogar wie Therapeuten. Der
New York Times
sagte er, er sei gegen die Entscheidung des Präsidenten gewesen, Chalid Scheich Mohammed vor ein Zivilgericht zu stellen. »Emanuel ist, wenn man so will, der Einzige, der Obama davon abhalten kann, Jimmy Carter zu werden«, schrieb Dana Milbank im Februar in der
Washington Post
und pries den Stabschef dafür, dass er sich gegen die Versuche des Präsidenten stemme, die Gesundheitsreform zu verabschieden und das Straflager in Guantanamo zu schließen. [45] Niemand kannte die genaue Quelle für diesen Artikel, aber alle tippten auf Emanuel, der dementierte, oder auf einen Mittelsmann. Wie auch immer, der Stabschef widersprach öffentlich dem Präsidenten, dem er diente – ein schockierender Bruch mit den Gepflogenheiten. »Wenn man einen gravierenden Rückschlag erlebt und es den Anschein hat, dass der Stabschef versucht, sich vom Präsidenten zu distanzieren, dann ist das besorgniserregend«, sagte Axelrod später.
Obama war zutiefst erstaunt, dass der Stabschef glaubte, er könne mit so etwas durchkommen; er wisse genau, was Emanuel da tue, sagte er Beratern. Kurz nach Erscheinen des Milbank-Artikels ging Emanuel ins Oval Office, um sich beim Präsidenten zu entschuldigen.
Während die beiden Männer im Oval Office unter vier Augen miteinander sprachen, bot Emanuel Obama seinen Rücktritt an. »Rahm wusste, dass dieser Artikel für den Präsidenten sehr, sehr negativ war, und bedauerte es«, sagte Axelrod. »Er meinte, er schulde dem Präsidenten deswegen seinen Rücktritt.« Das erschien auch aus einem anderen Grund plausibel: Wenn Emanuel eine andere Vorstellung vom Präsidentenamt hatte als Obama, wozu sollte er dann im Amt bleiben?
»Abgelehnt«, erwiderte Obama. »Ihre Strafe besteht darin, dass Sie hierbleiben und dafür sorgen müssen, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Ich lasse Sie nicht vom Haken.«
Der Präsident war zu sehr darauf konzentriert, die Gesundheitsreform umzusetzen, als dass er in Erwägung zog, seinen
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