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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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darauf, daß Ihr ehrenwerte Männer seid. Seid zurückhaltend – ich wiederhole, wir sind ein eigensinniger Menschenschlag – und befolgt bitte die hier üblichen Reinlichkeitsgebote. Ich bin sicher, der Pashkesher wird Euch darüber belehren können, welche das sind.“ Barthel nickte heftig.
    Sie verließen das Torhäuschen, und man gab ihnen ihre Pferde zurück. Bar-Woten sah sofort, daß die Satteltaschen durchsucht worden waren. Er hatte das erwartet – die Karte stak sicher in der Tasche seines Wamses. Vielleicht hätten sie sie gar nicht als solche erkannt – und wenn doch, so mochte es, da sie Nicht-Obelisker waren, keine hochherrschaftlichen Verbote hinsichtlich des Gebrauchs von Karten geben. Wie auch immer, er hatte kein Risiko eingehen wollen. Es überraschte ihn, festzustellen, daß man ihnen erlaubt hatte, ihre Pistolen zu behalten.
    Die Stadt war hübsch anzuschauen mit ihren schmalen Gassen und ziegelgepflasterten und geteerten Straßen, den Bürgersteigen aus frisch geschrubbten Fliesen und den gerippten, in hellen, leuchtenden Farben gestrichenen Holzschlagläden der Erkerfenster. Sie war so verschieden von Madreghb, daß Bar-Woten unwillkürlich einen tiefen Atemzug tat, als sei er wieder auf freiem Land. „Ihr scheint die Mundart ein wenig zu beherrschen“, sagte er zu Kiril. „Wie sehr?“
    „Nicht viel. Sie wurde in einer der höheren Klassen als Ableger einiger Obeliskensprachen erwähnt – hauptsächlich des Altfranzösischen und des East Midlands-Dialekts im Englischen. Sie haben die Obelisken vor unzähligen Generationen gelesen, in der Zeit des Beginns, sich dann aber später hier von der Außenwelt abgesondert.“
    Bar-Woten war sichtlich beeindruckt. „Ihr wart fürwahr ein eifriger Scrittori, habe ich recht?“ sagte er. „Ihr könnt, so will mir scheinen, uns eine Menge lehren.“
    Kiril lächelte vorsichtig, als würden sie scherzen, sagte aber nichts.
    Das südliche Mundus Lucifa war kaum hundert Kilometer tief, das meiste davon Berge und Hochplateaus. Kiril hatte nicht die geringste Ahnung, wie viele Städte es gab oder wo die leichteste Route verlief, die hindurchführte. „Vielleicht sollten wir uns erkundigen“, sagte er. Bar-Woten nickte, nahm Kirils Roß bei den Zügeln und führte sie die Torstraße entlang.
    Ein schwacher Nieselregen kam herunter, vermischt mit Schneeflocken so groß wie Schmetterlinge. Die grünliche Luft zwischen den Bergen deutete an, daß die Nacht kommen würde, bevor noch eine Stunde verstrichen war. Aber Bar-Woten hielt nicht an den Gasthöfen beiderseits der Straße. Er schien nach etwas anderem Ausschau zu halten, und der Weg, den er einschlug, führte sie durch die verborgenen Winkel der Stadt.
    Barthel wirkte steinern ruhig, aber dabei nicht unglücklich. Zugleich hielt er ein aufmerksames Auge auf Kiril, was den Mediwewaner unsicher machte, als ob seine Reaktionen abgeschätzt würden, ohne daß er jedoch gewußt hätte, auf was er reagieren sollte. Er konzentrierte sich auf die Steinmetzarbeiten und die bemalten Fliesen, die die Wände verzierten. Sie unterschieden sich nicht merklich von den entsprechenden Arbeiten in Madreghb. Die vorherrschenden Muster waren floral, mit Rosetten und ausgeklügelt ineinander verschlungenen Maßliebchenketten, die das geschlossene Auge in gleichsam sympathetischer Resonanz mitschwingen und -wirbeln ließen. In zunehmendem Maße jedoch waren die Mauern ebenso geweißelt wie die oberen Stockwerke oder aus erdfarbenen, mit einer wachsartigen Glasur versiegelten Schlammziegeln.
    Bar-Woten beugte sich im Sattel vor und spähte mit seinem einen Auge die Straße hinab. Die Straße neigte sich in einem Zwanziggradwinkel einem Hof entgegen, der naß war von Regen und Matsch. Sie waren beinahe durchgeweicht, und Kiril wurde langsam zornig.
    „Barthel?“ fragte der Ibisier.
    „Das ist eins, Bei“, antwortete Barthel. Bar-Woten grunzte und nickte, sein Pferd vorwärtsspornend.
    „Ich hatte gedacht, es gäbe sie überall, bis ich in Mediwewa keine finden konnte“, sagte er. „Ein seltsames Land, das Euer Volk führt, mein Freund.“
    „Ein was?“ erkundigte sich Kiril.
    Barthel lächelte und wies voraus. Die Fenster rings um den Hof waren geschlossen und in alterslosem Rot angestrichen. Ein in einen Poncho gehüllter, vor sich hindösender Stalljunge saß neben einer offenen Stalltür, aus der ein warmer Schimmer drang. Sie konnten Futter und Tiere riechen. Der Junge setzte sich bei ihrer Annäherung

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