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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Rauch aus Schlitzen in der Mitte des flachen Hecks.
    Das Unterseeboot schien, so weit er es sehen konnte, ähnlich geformt zu sein wie ein Thunfisch, mit einer verdickten Finne direkt hinter dem Kopf. Diese Finne, oder Turm, war kanonenmetallgrau. Der Rücken des U-Boots war mit dunkel lackiertem Holz gedeckt.
    Der zweite Tag ihrer Gefangenschaft führte sie an der nördlichen Halbinsel von Weggismarche vorbei, auf der einmal der Obelisk gestanden hatte. Er lag auf der Seite, so daß er den Isthmus überspannte wie eine Brücke, verankert in einer Bergkette auf der Halbinsel und einer auf dem Festland, die Hälfte seiner Spannweite verloren in massivem Fels. So weit sie erkennen konnten, schien er nicht gebrochen zu sein, aber der Horizont verschluckte seine ferneren Teile in grauen Wolken. Sie passierten den Fuß des Obelisken und sahen, daß er glatt war, wie mit einer unvorstellbaren Säge abgeschnitten. Der Fuß stand über die Bergkette auf der Halbinsel hinaus und ragte einen Kilometer hoch in die Luft, ein viereckiges Stück Kreide, das hinter dem Ohr eines Felsgiganten stak. Wo der Obelisk auf den Boden geprallt war, hatten sich Ströme geschmolzenen Gesteins zu gekräuselten grauen Wällen abgekühlt, von denen sich einige bis ins Meer erstreckten. Ringsumher war nichts als verbrannte Erde. Kiril betrachtete die Verwüstung ohne besondere Gefühlsregungen. Es war zu unglaublich, als daß es wahr sein konnte. Ihm wäre es wahrscheinlicher vorgekommen, wenn das Ding sich vollständig eingegraben hätte und zugedeckt worden wäre.
    In seiner Vorstellungswelt waren die Obelisken nicht länger unwandelbare Bestandteile des Lebens auf Hegira. Der gefallene Turm war ein riesiges Ding, einem Stab gleich, der in einen Ameisenhaufen gestoßen wird, und sein einziger Zweck war es, das Leben der Menschen aufzuwühlen. Er verabscheute und haßte ihn und das, wofür er stand – Wissen, Zugewinn, statische Zivilisationen, endlose zyklopische Fortschritte – all das.
    Auch Hegira war in seinen Augen gesunken. Die Welt war nicht länger ein Axiom, das man ohne weitere Fragen hinnehmen konnte. Sie mußte sich erst ganz von neuem beweisen, bevor sie ihre einstige Festigkeit zurückgewinnen konnte.
    Das Unterseeboot führte sie in fortschreitend flacher werdende Gewässer, deren Farbe von tiefem Blaugrau zu Graugrün wechselte. Die Wellen nahmen einen milchig trüben Glanz an. Die Luft wurde trocken und sehr kalt, wie ein Hauch von Trockeneis. Und nirgends, von den Schiffen abgesehen, die sie eskortierten, sahen sie irgendwelche Zeichen von Leben. Sie waren in den Bleichen Meeren.
    Am vierten Tage erschien an Backbord voraus Land. Es war eine schmale Landzunge mit sandigen Stränden, in Schleier aus weißem Bodennebel gehüllt. „Es ist ihr peinlich, sich offen zu zeigen“, kommentierte Bar-Woten. Gegen Mittag rückte sie hinters Heck. Staubige grüne Büsche tüpfelten ihre nördlichen Hänge. Gegen Abend endlich stiegen an Steuerbord schroffe Klippen aus rötlichem Stein aus der schlammigen See. Vögel kreisten in weißen Wölkchen an der Wasserlinie. Ihre Rufe klangen wie das Klagen kleiner Kinder. Eine mit einem Angelhaken und einem Köder bestückte Schnur, die man über die Seite herabließ, brachte einen kleinen, stintartigen Fisch fast ohne jedes besondere Merkmal herauf. Er war silbrig, als sie ihn zuerst aus dem Wasser zogen, aber milchweiß im Tode.
    Das Unterseeboot lotste sie am achten Tage ihrer Gefangenschaft in einen öden, felsigen Hafen. Man befahl ihnen, den Anker auszuwerfen und weitere Anweisungen vom Schiff- auf-Beinen – das als ‚Tragflügelboot’ bezeichnet wurde – ab zuwarten. Das Unterseeboot ging auf Tauchstation und stieß tiefer in den Hafen vor.
    Der Kapitän befahl, dem Wasser eine Probe zu entnehmen, und sofort wurde ein Becher über Bord gelassen, mit dem man einen Liter schlammiger Flüssigkeit heraufholte. Zögernd stippte Prekari seinen Finger hinein und kostete einen Tropfen. „Hier ist es nicht mehr salzig“, sagte er. „Wir sind gar nicht in einem Meer. Wir müssen in einem Fluß sein.“
    Teile des Puzzles, das die Bleichen Meere waren, begannen an den richtigen Platz zu fallen. Von einem Punkt einige hundert Kilometer nördlich von Weggismarche an waren die Bleichen Meere in Wirklichkeit ein gewaltiges Flußdelta, welches Schlamm und Schlick von Ländern herantrug, die sich Tausende von Kilometern dahinter erstreckten. Aber die Ausmaße des Flusses waren verblüffend – wo

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