Die Obelisken von Hegira
die leeren Klapptische und -stühle schienen sie zu verspotten. Die Zeltleinwand flappte sanft in der Brise. „Wo ist das Gefängnis?“ fragte Kiril. Barthel nickte und ging ihm voraus über den frischen Makadam zum entgegengesetzten Ende des Luftlandefeldes, nahe des Ufers.
Das Gefängnis war eine hölzerne Baracke, die bis jetzt praktisch leer gestanden hatte. Es war aus Treibholz und Teerpappe erbaut und nicht sonderlich solide, aber sein Symbolismus war trotzdem beeindruckend. Es war ein bedrohliches, häßliches Bauwerk, schäbig und der reinste Mischmasch.
Es gab nur einen Wächter. Er musterte sie schläfrig und ließ sie dann ein. Bar-Woten saß in einer winzigen Zelle, deren Vorderseite eine Tür aus schweren Eisengittern bildete. Er war hellwach und hatte offenbar die ganze Nacht nicht geschlafen. Sein Gesicht war eine leere Maske.
Kiril ging vor den Stäben eine Minute lang auf und ab. Er schäumte. „Wie zum Teufel habt Ihr das fertiggebracht?“ fragte er schließlich. Bar-Woten schüttelte den Kopf.
„Ich weiß es nicht“, sagte er. „Sie sind von Eurer Art, nicht meiner, will mir scheinen. Ich hatte keine Ahnung, daß es ein Verbrechen ist, einer Frau ein Kompliment zu machen.“
„Was für eine Eselei angesichts –“ Mit einem Seitenblick auf den Gefängniswärter unterbrach sich Kiril und ließ sich auf einen niedrigen Schemel fallen. Barthel blieb stehen und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Und was machen wir jetzt?“
„Nun“, sagte Bar-Woten, indem er übergangslos vom Teutanischen ins Mediwewanische überwechselte, „wir könnten dies als eine Warnung betrachten und uns nichts wie auf und davon machen, schnurstracks gen Norden.“
„In was für einen Schlamassel uns das wohl wieder bringen würde. Wie könnten wir in diesem Land überleben?“
„Vor ein paar Wochen schient Ihr geradezu begierig darauf zu sein, es zu versuchen. Jetzt heißt es entweder das, oder vor Gericht treten wegen etwas, dessen ich offenbar schuldig bin, vor Zeugen“ – Kiril stöhnte – „und das mich möglicherweise für ein Jahr oder so ins Gefängnis bringen würde. Das ist es jedenfalls, was dieser ehrenwerte Herr hier sagt“, grummelte Bar-Woten, auf den Gefängniswärter deutend.
Kiril erhob sich und verkündete Bar-Woten, daß sie mit Prekari sprechen würden. Der Ibisier war nicht ermutigt. „Hört“, sagte er. „Gestern nacht, während ich festgenommen wurde, habe ich diese Leute recht vorsichtig ausgehorcht. Sie haben einen Fehler, und der ähnelt dem Euren – sie sind selbstgerecht und in Angelegenheiten des Fleisches hochmoralisch. Sie sind friedfertig und wohlhabend. Darüber hinaus sind sie überzeugt, daß sie ihr Gesetz ruhigen Gewissens auf alles anwenden können. Versucht nur gemeinsam mit dem Kapitän, dagegen anzukommen.“
Sie verließen das Gefängnis und trotteten über den Makadam zum Verwaltungszelt. Drinnen war jetzt Bewegung – zwei halbwüchsige Jungen von der Dreizack standen mit gefalteten Armen am Zelteingang, Würde ausstrahlend, Wächter der Maaten und des Kapitäns ihres Schiffes, die an einem Tisch im Innern berieten. Kiril und Barthel fochten den Bluff der Jungen an, indem sie schnell und ohne ein Wort zu sagen hineinspazierten, bis sie vor dem Tisch standen. Der Kapitän erhob sich müde und abgehärmt und fragte sie, was sie wünschten. Kiril erzählte ihm, was geschehen war.
„Geschieht dem Manne recht. Hat er nicht Verstand genug, taktvoll zu sein?“
„Ich denke keineswegs, daß das viel mit Takt zu tun hat, Sir“, sagte Barthel. „Mir hätte die gleiche Mißliebigkeit widerfahren können. Jedem aus Eurer Mannschaft. Können wir zulassen, daß er wegen eines Gesetzes abgeurteilt wird, von dem wir nichts wußten?“
„Das ist ein schwieriges Problem“, sagte eine Frauenstimme von der anderen Seite des Zeltes her. Es war Avra, die in einer Ecke nahe des Eingangs saß, Stapel mit Unterlagen vor sich auf einem Tisch. Ein Lichtstrahl aus einem Winkelhaken im Zeltdach, der sich mit dem Kräuseln des Zeltstoffes bewegte, spielte über ihre Hände. Ihr Gesicht war dunkel und geisterhaft. Sie erinnerte Kiril an eine Norne, und er verspürte ein Frösteln.
„Was können wir für ihn tun?“ fragte er.
„Wahrscheinlich nichts. Es ist eine minder schwere Anklage und wird ihm keine besonders hohe Strafe einbringen. Er wird wahrscheinlich zur Niederlassung bei der Fünfzig-Kilometer-Marke auf dem Obelisken gebracht, vor
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