Die Oder Ich

Titel: Die Oder Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers

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Bett. Aber Kurbjuweit hat Angst vor seinem Schlafzimmer, seit die Hexe da war, es ist zu nahe am Laubengang, von wo sie sich angeschlichen hat. Aus dem gleichen Grund mag er nicht mehr in der Küche sein, aber doch sitzt er jetzt dort, vor neuen Notizen und über einem Brief, den er vielleicht an Magda schickt.
    Auch das Wohnzimmer ist ihm verleidet, wenn er da hineingeht, sieht er die Hure mit dem schmalen Hintern auf dem Einsitzer hocken. Wie sie sich zu ihrem Koffer beugt und die Peitschen und die Handschellen auf den Tisch legt. Und wie er sagt: »Was soll denn das?«, und wie sie antwortet, schließlich habe er sie bestellt, da wisse er wohl, zu was die Werkzeuge zu gebrauchen seien. Und wie er aufsteht, schneller als sonst, sodass ihn der Schwindel packt, und wie er laut sagt, das stimme nicht, und wie sie auch aufsteht und wieder zur Balkontür geht und dort stehen bleibt und ihren mickrigen Jungenhintern zeigt, und wie sie sich umdreht und ein Grinsen ihr Gesicht zerschneidet und sie fragt, welchen Service er wünsche, und wie er sagt: »Gar keinen«, und wie sie auf ihn zukommt und sich bückt und ihren Koffer schnappt und in den Flur geht und ihren Mantel anzieht und einfach verschwindet. Und wie ihm erst, nachdem die Wohnungstür ins Schloss gefallen ist, klar wird, dass sie sein Geld genommen hat, das er sich so mühsam erspart hat, indem er monatelang Katzenfutter gefressen hat, und wie alles, was er geplant hat, zu einem Haufen Dreck zerfällt.
    Und in Mutters Schlafzimmer mag er am allerwenigsten.
    Es hat vor drei Wochen angefangen.
    Da lag er im Bett, schon zu später Stunde, aber der Schlaf befreite ihn nicht aus dem Verlies der Gedanken, denn er hörte ein Scharren und Schurren über sich. Immer wieder. Als wenn dort etwas Schweres schleifte. Davon fortgetrieben legte er sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Da war das Geräusch leiser. Jedoch auch dort kein Schlaf. Der Rücken rebellierte gegen das ungewohnte Polster und immerzu musste er horchen, schließlich aufstehen und Schritte tun, aber wohin? Seine Welt war eng, sie zwängte ihn zwischen Wand und Wand. Er ging die drei Schritte in den Flur bis zur Küche. Ihre seltsame Fremde starrte ihn atemlos an. Alles Normale war aus ihr entwichen, die ruhige Routine des langsamen Tages, die noch von der vergangenen Gegenwart der Mutter lebte. Der Topf auf dem Herd, sein Stiel zeigte wie ein plumper Finger aus dem Dunkel, der Kartoffeltopf schimmerte gespenstisch, das Radio schwieg auf der Anrichte. Der tote Fernseher mit seiner mattgrünen Scheibe, hinter der die fremde Welt steckte. Der unnütze Stapel Zeitungen auf dem Tisch, die Zettel mit seinen Notizen. Die Nachtküche war eine Küchenleiche, die mit der Tagesküche so wenig zu tun hatte wie Mutters Leiche mit Mutter.
    Kurbjuweit machte kehrt. Und während er sich drehte, nahm er aus den Augenwinkeln ein winziges Rühren wahr, eine Bewegung, etwas verschob sich in dem Raum. Drüben unter dem Fenster, dort lebte etwas oder war es nur der Schwindel? Einbildung. Natürlich. Die Küche taugte nur für den Tag, nachts war sie bewohnt von bösem Zauber.
    Zurück im Wohnzimmer schob Kurbjuweit entschlossen die Tür zu Mutters Schlafzimmer auf, sie kratzte über den Teppichboden, er stand im Kegel des gelben Wohnzimmerlichts, es warf seinen unförmigen Schatten auf die Kartons auf Vaters Hälfte des Ehebettes. Kurbjuweits riesige Schattenhand griff nach dem Bettgestell des Vaters. Er trat ganz ein. Der Widerschein des Lichts auf dem Weißblech der Dosen, die er auf dem Fensterbrett gestapelt hatte. Er horchte. Nichts zu hören. Kein Schurren und Scharren. Ob er hier schlafen sollte? Vaters Matratze muss weg, dachte er, ich muss sie loswerden, morgen will ich sie fortschaffen. Und dann sehen wir weiter.
    Als er auf dem Bett in seinem eigenen Schlafzimmer saß, war wieder das Schurren über ihm, lauter als zuvor. Sollte er, der über zwei Schlafzimmer verfügte, genötigt sein, schlaflos im Wohnzimmer zu liegen, nur weil die Leute über ihm Lärm machten?
    Es musste etwas geschehen!
    So hat es angefangen.
    Am nächsten Tag wachte er im Treppenhaus, bis der alte Stachowiak seinen Gang in den Keller machte.
    »Was haben Sie da heute Nacht für einen Lärm gemacht?«, rief Kurbjuweit dem knotigen Alten entgegen, der langsam abstieg, jede Stufe tastete, die linke Faust am Geländer und ein papierenes Päckchen unter dem Arm.
    »Wir haben umgeräumt«, antwortete der Pole und blieb drei Stufen oberhalb stehen, ein