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Die Oder Ich

Titel: Die Oder Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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Sie?«
    »Körperverletzung durch Unterlassen ist nur strafbar bei Vorhandensein einer Garantenpflicht«, parierte Schlüter trocken. »Es gibt eine Garantenpflicht aus Gesetz und eine aus Vertrag. Eine gesetzliche Beischlafpflicht existiert nicht, das ist nicht kodifiziert. Und eine vertragliche kann ich auch nicht erkennen. Einen Ehevertrag, der solche Einzelheiten festlegt, haben Sie ja wohl nicht.«
    Frau Thielpape spitzte die Ohren.
    »Oder?«
    »Ga-ga-garantenpflicht? Was das denn?«
    Schlüter winkte ab: »Zu kompliziert. Außerdem heißen Sie nicht Kennedy und Ihr zukünftiger Exmann nicht Onassis, oder?«
    Melitta Thielpape zögerte. »Das trau ich ihm auch zu!«, flüsterte sie dann und nickte entschlossen.
    »Und was?«
    Sie druckste, gab sich plötzlich schamhaft, hob schließlich den Kopf und trötete: »Onan – ähh – Onassis!!«
    Schlüter hüstelte. Onassis sei ein griechischer Reeder gewesen, klärte er auf, der eine Witwe namens Kennedy geheiratet habe, und die beiden hätten einen Ehevertrag geschlossen, in dem die Häufigkeit des Beischlafs geregelt gewesen sei. Mit Vertragsstrafen und allem Drum und Dran.
    Damit hatte er die Mandantin außer Gefecht gesetzt. Endlich war er dran. Ob man schon getrennt lebe?
    Ja, der Versager sei ausgezogen. Sie wohne jetzt mit ihrem Lebensgefährten zusammen. Und seitdem habe sie keine Schmerzen in der Beckengegend mehr. Der Lebensgefährte wüsste nämlich viel besser, was bei ihr zün…
    Ob der Ehemann Unterhalt zahle, fragte Schlüter hastig, während er darüber nachdachte, warum jeder herbeigelaufene Beschäler Lebensgefährte genannt wurde.
    Natürlich nicht. Nicht für Kevin und auch nicht für Mattleen. Geschrieben Madeleine. Versager eben. Auf allen Ebenen.
    Schlüter hielt seinen Vortrag zum Unterhaltsanspruch nach der Düsseldorfer Tabelle, zur Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen, zum Umgangsrecht, und während er redete, schweiften seine Gedanken ab, denn er hatte diese Dinge schon so oft zum Besten gegeben, dass er getrost, während er redete, auf einer zweiten Ebene seines Bewusstseins an anderes denken konnte, zum Beispiel daran, wie schön es wäre, jetzt in der Sonne auf der Terrasse zu sitzen, mit einer anständigen Tasse Tee, und Christa würde begeistert ihre Gartenpläne vor ihm ausbreiten, sie hatte schon einen Beetplan gezeichnet, auf dem sie eingetragen hatte, wo welches Gemüse wachsen sollte. Sie wollte in diesem Gartenjahr, nach den Erfahrungen der beiden vergangenen, eine Vierfelderwirtschaft begründen, nach der jede Art nur alle vier Jahre auf demselben Beet wachsen durfte, sie würde von Stark-, Mittel- und Schwachzehrern sprechen, von Leguminosen, Nachtschatten- und Kohlgewächsen und Wurzelgemüsen – eine Wissenschaft war das, über der man sich gut gelaunt und tagelang den Kopf zerbrechen konnte. Es war doch richtig gewesen, aufs Land zu ziehen, Schlüter verabscheute die Menge, die Menschen, die ihm in der Stadt begegneten, die er womöglich zu grüßen hatte, weil es seine Mandanten waren, oder Gegner, deren Blick er standhalten musste, weil sie ihn wegen eines Prozesses hassten. So verbrachte er den ganzen Tag im Büro, verzehrte mittags ein mitgebrachtes Brot und arbeitete, bis ihm die Konzentration abhanden kam. Christa hatte vorgestern, am Tag des Frühlingsbeginns, die Zwiebeln gesetzt. Nicht lange, und er würde auch zum Gärtner werden.
    »Und vor allem, machen Sie Ihren Mann nicht schlecht vor dem Kind«, beendete er seinen Vortrag. »So was will ich hier nicht hören.«
    »Das tut nicht nötig, Kevin will ihn sowieso nicht sehen.«
    Und wann höre ich auf, Lebensberatung zu machen, die niemand will, und Fragen zu beantworten, die mir niemand stellt?
    Nachdem er die Formalien mit Melitta Thielpape geregelt hatte, beendete er das Gespräch. Sie beugte sich wieder vor, griff nach der Handtasche. Schlüter fixierte die Deckenlampe und wünschte sich ein Vermummungsgebot. Wieso stellten die Frauen ihre Brüste zur Schau und behaupteten gleichzeitig, es sei unzüchtig, sie zu beglotzen?
    Als er der Mandantin die Hand gab, bedankte sie sich, dass er so früh am Tag Zeit für sie gehabt habe, denn – »Wissen Sie was?« – am Nachmittag habe sie keine Zeit, da sei sie bei den Nachbarn von oben eingeladen, bei einem polnischen Rentnerpaar, das ein Stockwerk höher wohne, die machten Wurst aus Fleisch vom Bauern, die hätten zum Probieren eingeladen, und danach komme ihr Lebensgefährte, und dann … »Wissen

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