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Die Oder Ich

Titel: Die Oder Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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Sie was?« Endlich wusste Schlüter was, jedenfalls konnte er sich was denken, obwohl Melitta Thielpape ihn nicht aufklärte, sondern in den Flur stürzte und nach Kevin brüllte, der von Angela aus der Schreibstubentür geschoben wurde, und fort waren sie.
    »Was hat die Ihnen denn alles erzählt?«, fragte Angela, nachdem es wieder ruhig geworden war.
    Schlüter winkte ab. »Den üblichen Mist«, seufzte er. »Und noch ein bisschen mehr. Und – wie fanden Sie den Jungen?«
    »Armes Würstchen«, antwortete Angela. »Was aus dem wohl noch mal wird.«
    Er folgte ihr in die Teeküche und setzte sich auf einen der Klappstühle. Seit er zum ersten Mal Pfefferminztee getrunken hatte bei der Lektüre des Urteils in der Asylsache Gül, hatten sie sich angewöhnt, manchmal am Vormittag, wenn es gerade passte, gemeinsam einen Kräutertee zu trinken, obwohl Schlüter ansonsten schwarzen Ostfriesentee vorzog.
    »Wissen Sie, was der Bursche mir gesagt hat?«, fragte Angela, während der Wasserkocher zu summen begann.
    »Fangen Sie auch noch so an! Jeder dritte Satz dieser Dame Thielpape war ›Wissen Sie was?‹«
    Angela hängte zwei Teebeutel in die Glaskanne.
    »Kevin hat gesagt, dass Horschi eine Pistole hat, ’ne echte, mit der man richtig schießen kann.«
    »Und wer ist Horschi?«
    »Keine Ahnung. Der wohnt wohl auch im Block, im ersten Stock. Er würde öfters einkaufen für Horschi. ›Der hat eine Pistole, eine richtige alte‹, hat der Junge gesagt. Wörtlich. ›Die habe ich in der Küche auf der Anrichte gesehen, in einer Plastiktüte. Horschi darf das aber nicht wissen, er versteckt die Pistole immer, wenn ich bei ihm in der Wohnung bin.‹«
    »Und wieso ist der bei dem Horschi, oder wie der heißt, in der Wohnung?«
    »Er hat gesagt, da ist er meistens, wenn er rausfliegt, und er fliegt raus, wenn Onkel Volli da sei und der seine Mutter fi…« Angela drehte sich plötzlich um und goss den Tee auf.
    Schlüter wartete.
    »Was der mir alles erzählt hat«, fügte sie kopfschüttelnd hinzu. »Merkwürdig distanzlos ist er, der Bursche.«
    »Wie alle heimatlosen Kinder, die auf der Suche nach Freundschaft sind. Die werden leicht klebrig und machen sich das Leben dadurch noch schwerer. Und wehe, sie werden erwachsen. Aber was wollten Sie noch sagen?«
    Angela wollte eingießen.
    »Halt!«, rief Schlüter. »Der hat doch gar nicht richtig gezogen!«
    »Ach ja, natürlich …, wie dumm von mir.«
    Schlüter stand auf und machte die Schranktür über der Spüle auf. »Was haben wir eigentlich für Kaffeefilter«, murmelte er und machte einen langen Hals. »Nächstes Mal kaufen Sie bitte andere. Die werden mich sonst dauernd an diese Schokoladennudel von vorhin erinnern.«
    »›Horschi geht auf Streife‹, hat der Junge noch gesagt. ›Jeden Abend um zehn. Mit der Pistole.‹ Was das zu bedeuten hat?«
    Schlüter zuckte die Schultern. »Hört sich reichlich ungemütlich an«, sagte er.
    »Ja«, nickte Angela. »Das war aber nicht alles. Er, der Junge, würde jetzt immer Kartons holen für Horschi, der würde ganz viele Kartons brauchen.«
    »Wozu braucht man ganz viele Kartons?«
    »Keine Ahnung. Und dann hat er mir einen Zettel gegeben und gesagt, er schenkt ihn mir. Es stünde ein Zauberspruch darauf, den man nur aussprechen dürfe, wenn man in höchster Not sei. Falls ich angegriffen werde und mich nicht mehr verteidigen könne.«
    »Hä?«
    Angela verschwand und kehrte mit einem Zettel in der Hand zurück.
    »Idsch do diabwa«, las Schlüter. »Verstehen Sie das?«
    Angela schüttelte den Kopf.
    Alles musste man schließlich nicht verstehen. Es gab auch so genug Probleme, die man nicht lösen konnte.

20. Kapitel
     
    In dem Horst Kurbjuweit den vorletzten Schritt in die Einsamkeit geht
     
    Kurbjuweit steckt den Karton in die letzte Lücke und klebt ihn fest. Jetzt ist es fertig. Mehr kann er nicht tun. Er ist erschöpft von der Arbeit und durstig, er will Wasser trinken.
    Es ist schwer, allein zu sein, niemanden zu haben, der einem hilft, außer einem unmündigen Kind. Aber solange er die Red Nine hat, ist noch nicht alles aus. Er kann sich wehren. Wenn er seinen Feinden einen Schritt voraus ist. Wenn er weiß, was sie tun werden.
    Hätte er die Briefe nicht schreiben sollen? War es ein Fehler, dass er sich an Schlüter gewandt hat? Egal. Jedenfalls würde er niemals die Nebenkosten nachzahlen, solange das Licht im Laubengang nicht funktionierte und der Hausbesitzer nicht für Ruhe im Block sorgte. Und ausziehen

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