Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
der einflussreichsten Wirtschaftsmänner der deutschen Nachkriegsgeschichte. Münchmeyer war erst Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, dann Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Bei Münchmeyer lernte |251| Arend Oetker Grundkenntnisse des Bankenwesens und des Außenhandels. Auch hier wählten ihn die anderen Auszubildenden zu ihrem Sprecher. Bereits während der Lehrzeit meldete er sich bei der Handelskammer zur Prüfung an, die der Kaufmannsgehilfe im Außenhandel mit »sehr gut« bestand.
An der Universität in Hamburg schrieb er sich im Fach Betriebswirtschaftslehre ein. Nach zwei Semestern wechselte Arend Oetker an die Freie Universität Berlin, wo er ebenfalls ein Jahr blieb. Dann zog er nach Köln um, dessen Universität eine besonders angesehene wirtschaftswissenschaftliche Fakultät hatte. Dort wollte er sein Studium abschließen und – wenn möglich – zum Doktor Oetker werden.
Anders als viele andere Sprösslinge reicher Familien war Oetker niemals in Gefahr, ein Müßiggänger zu werden. Die Semesterferien nutzte der Student für Praktika, Studienreisen und Kurse. Er durfte beim Krupp-Lenker Berthold Beitz hospitieren und konnte es sich erlauben, über Monate durch die USA zu reisen. An der Eliteuniversität in Harvard belegte er einen Marketingkurs.
Sein Interessenfeld ging weit über die Wirtschaft hinaus. Arend Oetker war ein politischer Kopf. Am Otto-Suhr-Institut in Berlin hatte er sich mit der Politischen Wissenschaft beschäftigt, in Hamburg begeisterte er sich für den Philosophen und Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, in Köln belegte er neben den Fächern der Betriebswirtschaft auch Sozialpolitik.
Sein Studium beendete Oetker 1966 als Diplomkaufmann mit »gut«. Er bewarb sich bei Erich Gutenberg, einer Koryphäe seines Fachs, als Doktorand. Als Thema seiner Dissertation wählte er eine Fragestellung aus dem Bereich der Familienunternehmen, wie er es zuvor schon bei seiner Diplomarbeit gemacht hatte. »Es gilt die Frage zu beantworten, ob es den nicht emissionsfähigen Unternehmen, die in der Regel Familienbetriebe sind, möglich ist, in einer Wirtschaft ihre Existenz zu sichern, die durch die Vorgabe immer schwierigerer Finanzierungsmöglichkeiten gekennzeichnet ist?« Oetker machte sich also daran, zu untersuchen, ob den Familienunternehmen das Geld ausgehen würde.
|252| Bei der Sammlung von Fallbeispielen machte der Doktorand dieselbe Erfahrung, die Journalisten und andere Interessierte häufig mit den Oetker-Firmen hatten: Er stieß nicht selten auf verschlossene Türen. »Sind die Eigentümer von nicht emissionsfähigen Unternehmen in Deutschland selten bereit, überhaupt Auskünfte über ihre Unternehmungen zu geben, so haben sie erst recht Argwohn, sich über die finanzielle Sphäre ihrer Betriebe zu unterhalten«, schrieb er. Jetzt vollzog Oetker theoretisch nach, was in seiner eigenen Familie immer gegolten hatte, nämlich »dass diese Unternehmer ihre Betriebe als Privatangelegenheit betrachten und eine Publizität als Verletzung eben dieser privaten Lebenssphäre«.
Arend Oetker konnte allerdings auf den guten Klang seines Namens in Kreisen der Familienunternehmen zählen. Zahlreiche Eigentümer empfingen ihn schließlich doch zum Gespräch über Generationenübergang und Gewinnausschüttung, diskutierten mit dem Endzwanziger über Familienrat, Erbhofprinzip und Testamentsvollstreckung. Oetker gewann neue Einblicke und kam zu dem Schluss, dass die deutschen Familienunternehmen in ihrer Stärke meist unterschätzt würden. Aber es gab eine Ausnahme von der Regel: »Nur in wenigen Fällen bei Identität von Familien, Firmen und Markennamen wird die Bedeutung überschätzt.« Unternehmen, die wegen ihrer Produkte so bekannt sind wie die Firma Oetker, standen und stehen bei vielen Menschen in einem übertriebenen Ruf der Größe und Bedeutung.
Arend Oetker pries in seiner Arbeit die Familienunternehmen. Sie hätten für die dort »arbeitenden Menschen einen hohen sozialen Wert«, behauptete der Unternehmserbe, allerdings ohne es zu belegen. »Arbeiter und Angestellte bekommen nicht nur Lohn, sondern sie fühlen sich durch ein persönliches Verhältnis zu ihrem Chef, dessen Familie und durch eine stärkere Identifizierung mit ›ihrem‹ Betrieb weiter in die Gesellschaft integriert.« Dieser Satz aus dem Jahr 1967 zeigt die konservative Grundhaltung des Unternehmenserben. Denn Arend Oetker vertrat ja offenbar die Ansicht, die »Integration« von
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