Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Ergebnis überzeugte viele. Der
Spiegel
urteilte nach der Fertigstellung: »Der sandsteinrote Bunker-Bau steht der Berliner Nationalgalerie Mies van der Rohes zwar an baukünstlerischem Rang nach, übertrifft sie jedoch an Funktionswert.«
Im Herbst 1968 sollte die Kunsthalle eingeweiht werden. Doch ein halbes Jahr davor begann sich der erste Widerstand in der Stadt zu regen. Bielefelds Außerparlamentarische Opposition (APO) protestierte gegen das Vorhaben, die Kunsthalle nach einem Mann zu benennen, der Mitglied im Freundeskreis Himmler gewesen war. In Flugblättern und Leserbriefen wandten sich mehrere Gruppen der politischen Linken gegen die Namensgebung und versorgten die Öffentlichkeit mit Informationen über den wenig bekannten Freundeskreis Himmler.
Die Proteste waren zu massiv, als dass man sie ignorieren konnte. Der Initiative hatten sich auch die kirchliche Jugend, die Sportvereine und die Pfadfinder angeschlossen. Daraufhin überließ Rudolf-August Oetker die Entscheidung den Politikern im Rat. Wie immer sie ausfalle, sein Verhältnis zum Rat werde dadurch nicht getrübt, soll Oetker gesagt haben. Die Stadtparlamentarier aller Fraktionen wollten dem großen Gönner den einmal geäußerten Namenswunsch dennoch erfüllen und beschlossen am 18. September 1968 einstimmig, dass die Kunsthalle »Richard-Kaselowsky-Haus« heißen sollte.
Zur Einweihung der Kunsthalle, die für den 27. September 1968 geplant |247| war, hatten Rudolf-August Oetker und die Stadtoberen 1200 Gäste eingeladen. Für die Festrede war der damalige Bundesforschungsminister Gerhard Stoltenberg verpflichtet worden. Hans Werner Henze hatte zum Preis von 50000 Mark den Auftrag angenommen, ein Klavierkonzert zu komponieren, das bei der Eröffnungsfeier uraufgeführt werden sollte.
Doch dann hagelte es Absagen. Der Präses der evangelischen Kirche in Westfalen Ernst Wilm, der im KZ Dachau eingesperrt gewesen war, mochte nicht an einer Feier zu Ehren Kaselowskys teilnehmen. Eine Woche vor dem Fest sagte auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Heinz Kühn seine Teilnahme ab. Der Sozialdemokrat war erst spät durch die Proteste aufgeschreckt worden. In einem Brief schrieb Kühn nun, er halte es nicht für richtig, jemanden zu ehren, »der immerhin dabei mitgemacht hat, solche, die verbrecherisch an unserem Volk gewirkt haben, zu unterstützen«. Kühn folgten Stoltenberg und Bundesjustizminister Gustav Heinemann.
Nun verlor auch der Konzernherr die Lust an der Feier. So mussten nun kurzfristig alle Gäste durch den Oberbürgermeister wieder schriftlich ausgeladen werden. Die Diskussion um die Namensgebung habe eine »teilweise unwürdige Form« angenommen, hieß es zur Begründung auf den Karten.
An dem Tag, an dem die Kunsthalle hatte eingeweiht werden sollen, übergab Rudolf-August Oetker dem Bielefelder Oberbürgermeister einen offenen Brief. Darin erläuterte er die Vorgeschichte der Stiftung und seine ursprünglichen Vereinbarungen mit Ladebeck. Die Halle habe dem städtischen Kunstbesitz eine neue Bleibe geben sollen, nachdem das alte Kunsthaus im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Gleichzeitig habe man der Bielefelder Opfer des Kriegs gedenken wollen, zu denen auch sein Stiefvater gehört habe. Dessen politisches Engagement habe dabei keine Rolle gespielt. Als kurz vor der Einweihung eine Diskussion über Kaselowskys Haltung während der NS-Zeit aufgekommen sei, habe der Stadtrat die Sachlage sorgfältig überprüft. Der Rat der Stadt Bielefeld sei zu dem Ergebnis gekommen, wie Oetker etwas ungelenk formulierte, »dass trotz des politischen Irrtums |248| , den mein Vater begangen hatte, seine Verdienste in Bielefeld schwerer wogen«.
Bemerkenswert ist der folgende Satz Oetkers in dem Schreiben: »Deshalb blieb es bei dem Namen, und auch meine Familie konnte ihren Vorschlag, das Haus nach meinem Vater zu benennen, nicht mehr zurücknehmen.« Der Industrielle brachte indirekt zum Ausdruck, dass er nicht auf der Namensgebung bestanden hätte, wenn der Bielefelder Rat davon hätte abrücken wollen. Viele Zeitgenossen nahmen den Vorgang allerdings so wahr, als habe Oetker der Stadt damals seinen Willen aufgezwungen. Der Komponist Henze schrieb in der
Zeit
, der Ausgang im Namensstreit illustriere »fast klischeehaft den Einfluss der Industrieherrschaft auf die öffentlichen Belange der von ihr abhängigen Massen«.
Während es also bei dem Namen »Kaselowsky-Haus« blieb, verzichtete der Stifter darauf, im Foyer eine Büste
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