Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Großreeder hatte es vor allem in Südamerika schwer. Brasilien und Argentinien versuchten, mit Hilfe von Vorschriften und Schikanen ausländische Frachter aus ihren Häfen zu drängen. Oetker hatte vergeblich gefordert, dass die Bundesregierung Druck machen und die Zusage von Entwicklungshilfe von einem Entgegenkommen der südamerikanischen Regierungen abhängig machen müsse.
Anfang 1969 schickte der Reeder einen Beschwerdebrief nach Bonn, den er gleichzeitig den Ministern Leber, Strauß, Schiller und Eppler zukommen ließ. Der Unternehmer drohte sogar mit Wegzug: »Die Verhaltensweise der Bundesregierung könnte eines Tages die Reeder zwingen, ins Ausland abzuwandern …« Dass Oetker dann doch blieb, dürfte auch damit zusammenhängen, dass seine Reedereien im selben Jahr immerhin 30 Millionen Mark aus einem Schiffbauprogramm der Bundesregierung kassierten.
In den sechziger Jahren verbrachte Oetker etwa ein Drittel seiner Zeit in Bielefeld, ein Drittel in Hamburg und ein weiteres Drittel auf Reisen. In fast allen seinen Firmen war sein Büro im gleichen Stil mit alten englischen Möbeln ausgestattet worden, damit sich der Konzernherr überall heimisch fühlen konnte. Es war der Stil, den Oetker in den Häusern seiner Eltern und Großeltern kennen gelernt hatte. In Bielefeld arbeitete er in jenem holzgetäfelten Büro, in dem schon der Firmengründer August Oetker gesessen hatte.
Einmal ließ Oetker ein Kamerateam an sich heran. Der konservative Publizist Matthias Walden, ein enger Vertrauter des Verlegers Axel Springer, durfte dem deutschen Fernsehpublikum in 45 Minuten |245| »Einige Tage im Leben des Rudolf-August Oetker« zeigen. Über die Dreharbeiten mit Oetker berichtete der Reporter: »Dabei fiel immer wieder sein totaler Mangel an Eitelkeit auf. Er unternahm absolut nichts, um zu wirken. Dieser Eindruck erhielt sich während der ganzen Drehzeit: Wir hatten einen ungewöhnlich schlichten Mann vor der Kamera.«
Die Zuschauer sahen Oetker mit seiner schweren Aktentasche, auf dem Tennisplatz und beim Tischdecken zu Hause. Im Interview gab der Pfeifenraucher den treu sorgenden Patriarchen, dessen Firmen damals bereits rund 25000 Menschen beschäftigten. Er äußerte die Sorge, »dass die Ordnung, in der wir leben, sich verändert«. Wohl auch als Reflex auf die 1968 einsetzende Umwälzung betonte er: »Ich bin ein Freund einer gewissen Ordnung.« Bei anderen Menschen sei ihm angenehm, so Oetker im Film, »dass einer ein zufriedener Mensch ist, dass ein Mensch innerlich und äußerlich bescheiden ist, dass er nicht was anderes sein will, als er ist.«
Seiner Vaterstadt blieb Rudolf-August Oetker immer verbunden. Mit Freude hatte er sich zum Ehrenmajor des Bielefelder Schützenvereins küren lassen. Aber er half auch mit bei der Gründung einer Universität in der ostwestfälischen Stadt. Schon Ende der fünfziger Jahre hatte er sich darangemacht, ein Vermächtnis seiner Großmutter zu erfüllen. Caroline Oetker hatte der Stadt ein Schwimmbad stiften wollen. Ihrem Enkel erschien es allerdings passender, den Bielefeldern eine Kunsthalle zu schenken. Das alte Kunsthaus war im Zweiten Weltkrieg bei demselben Bombenangriff zerstört worden, bei dem Ida und Richard Kaselowsky und zwei ihrer Töchter ums Leben gekommen waren.
Rudolf-August Oetker besprach die Idee zunächst mit dem damaligen Oberbürgermeister Artur Ladebeck. Der Sozialdemokrat war hoch erfreut und hatte auch nichts gegen Oetkers Wunsch einzuwenden, dass die Kunsthalle den Namen Richard Kaselowskys tragen sollte. Oetker gelang es, für den Bau des Museums auf Anregung Herzogenraths und Pinnaus einen weltweit renommierten Architekten zu beauftragen: den US-Amerikaner Philip Johnson, der schon zahlreiche |246| Museen entworfen hatte. Dieser Baumeister hatte bei Gropius studiert und später den Begriff des »Internationalen Stils« geprägt. Oetker lernte den Architekten Anfang der sechziger Jahre bei einer Reise in die USA kennen. Dem deutschen Industriellen imponierte das Seagram Building in New York, das Johnson gemeinsam mit Mies van der Rohe entworfen hatte. »Es war nicht leicht, den viel beschäftigten Mann für ein Projekt in einer Stadt wie Bielefeld zu gewinnen«, sagte er später.
Für die Bielefelder Kunsthalle entwarf Johnson einen monumentalen Betonbau, der mit Sandstein verkleidet war. Ins Auge stach, dass der Architekt das zweite Obergeschoss als massiven Kasten auf das filigran erscheinende Sockelgeschoss gesetzt hatte. Doch das
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