Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Aber August sträubte sich gegen eine Rückkehr. Zudem hatte der Vater Zweifel, ob sein ältester Sohn über die nötige Durchsetzungskraft verfügte, die für die Konzernführung erforderlich war.
Rudolf-August Oetker überlegte, ob er die Nachfolge an der Spitze der Bielefelder Gruppe nicht besser dem Neffen Arend übertragen sollte. Der Sohn seiner Schwester Ursula hatte mit der Sanierung der |295| Schwartauer Werke bewiesen, dass er das Zeug zum erfolgreichen Unternehmer hatte. Oetker sprach mit dem Neffen über dessen Pläne. Aber Arend Oetker war mit den eigenen Beteiligungen und einigen Verbandsposten zufrieden und ausgelastet. Er wollte nicht ins Reich des Onkels überwechseln.
Familiäre Kontinuität im Unternehmen war für Rudolf-August Oetker ein hoher Wert. Der Gedanke, dass die Firmengruppe ausschließlich von angestellten Managern geführt werden könnte, schreckte ihn. So unternahm er einen neuen Anlauf, den verlorenen Sohn zurückzuholen. 1978 reiste Rudolf-August Oetker nach New York, um seinen Sohn in die Pflicht zu nehmen. »Mein Vater hat mich gefragt, ob ich sein Nachfolger werden will«, resümierte August Oetker später das Gespräch.
Wohl wissend, dass es für ihn nicht einfach sein würde, war der Junior bereit, den Weg zu gehen, der ihm vorgezeichnet war. Mit Mitte 30 würde er in ein Unternehmen kommen, das sein Vater geprägt hatte und das er aller Voraussicht nach auch weiterhin prägen würde. August Oetker würde sich im Schatten eines ungemein erfolgreichen Unternehmers behaupten müssen.
Der Vater hatte es da als junger Mann in gewisser Hinsicht leichter gehabt. Denn als Rudolf-August Oetker nach dem Krieg an die Spitze der Unternehmensgruppe gerückt war, da waren sein Vater und sein Stiefvater tot. Es hatte damals niemanden in der Familie gegeben, der ihn hätte beaufsichtigen können. Rudolf-August Oetker hatte seine ersten Schritte unbefangen tun können. Er war von treuen und erfahrenen Führungskräften beraten und unterstützt worden, ohne dass seine Autorität als Inhaber in Frage gestellt worden war.
August Oetker musste sich unter den Augen seines Vaters bewähren – und das auf einem Gebiet, das er bisher kaum kannte. Zwar verfügte er in der Schifffahrtsbranche über Erfahrungen und auch im Finanzgewerbe kannte er sich mittlerweile gut aus, aber mit der Nahrungsmittelindustrie und mit Brauereien hatte er in seinem beruflichen Leben nie etwas zu tun gehabt.
Seinen ersten Führungsjob in der Oetker-Gruppe trat er 1979 bei |296| einer Tochterfirma weitab von Bielefeld an. Bei der Dibona Markenvertrieb KG im badischen Ettlingen kümmerte er sich als Geschäftsführender Gesellschafter um den Verkauf von Ültje-Erdnüssen, Eto-Soßen und Langnese-Honig – lauter Erzeugnisse, die die Oetkers neben ihren Stammprodukten herstellten und vertrieben.
Kurz vor seinem 64. Geburtstag im September 1980 beförderte Rudolf-August Oetker seinen Sohn dann zum Generalbevollmächtigten und holte ihn nach Bielefeld. Der Senior erklärte nun öffentlich, dass er sich mit 65 Jahren zur Ruhe setzen werde: »Das gehört sich so.«
Mit 36 Jahren rückte August Oetker, mittlerweile Vater von drei Kindern, in die operative Führung der Firmengruppe ein. Bisher hatten sich auf der Ebene unterhalb des Inhabers die Manager Guido Sandler, Rudolf Stelbrink und John Henry De La Trobe das Regiment über die rund 150 Einzelunternehmen mit ihren damals 20000 Mitarbeitern geteilt. Ein Stab von 80 Mitarbeitern in der Bielefelder Zentralverwaltung half ihnen dabei.
Die Unternehmensgruppe war im Kern gesund, aber es gab in mehreren Bereichen Probleme. Das Geschäft mit den Nahrungsmitteln wuchs kaum noch, auch wenn Oetker das Sortiment immer wieder erweitert hatte, etwa durch die in den siebziger Jahren auf dem Markt eingeführte »Paradiescreme«. Seit 1974 konnte das Unternehmen die Einzelhandelspreise nicht mehr zentral festlegen. Die Verhandlungen mit den Abnehmern waren härter geworden. Während immer mehr Tante-Emma-Läden geschlossen wurden, wuchsen im Handel Großunternehmen heran, die es mit der Macht der Markenartikelindustrie ohne weiteres aufnehmen konnten. Und Ketten wie Edeka und Coop legten immer mehr Eigenmarken in ihre Regale, die den Verbrauchern eine billige Alternative zu den Oetker-Produkten boten.
Das Selberbacken war in Deutschland ziemlich aus der Mode gekommen, ungeachtet der Tatsache, dass die Oetkers von ihrem Bestseller »Backen macht Freude« bis Anfang der achtziger Jahre
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