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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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bereits 27 Millionen Exemplare verkauft hatten – ein Auflagenrekord, der |297| nur von der Bibel übertroffen wurde. Mit den Lebensgewohnheiten hatten sich in Deutschland auch die Essgewohnheiten verändert. Die Verbraucher fragten vermehrt kalorienarme Speisen nach. Der Bierkonsum ging zurück, und der Absatz der Brauereien im Oetker-Besitz stagnierte. Zwar verkauften die Bielefelder seit 1970 von Jahr zu Jahr größere Stückzahlen an Pizzen, aber die Erlöse deckten die hohen Investitionen in das Tiefkühlgeschäft nicht ab. Oetkers Marktanteil im Geschäft mit Gefriernahrung lag damals bei wenig über zehn Prozent.
    Auch Oetkers Fischfangflotte, immerhin die zweitgrößte in Deutschland, operierte mit hohen Verlusten. Wegen international vereinbarter Fangquoten durfte sie nicht mehr vor Island fischen. Zum Glück arbeiteten aber die Reedereien, die ihrem Eigner lange Zeit Sorgen bereitet hatten, inzwischen wieder mit gutem Gewinn. Seit den siebziger Jahren setzte die Hamburg Süd neuartige Containerschiffe ein. Das erste war die Columbus New Zealand, zu der bis 1980 acht weitere hinzukamen. 1976 hatte die Reederei zudem einen Containerdienst zwischen der US-Golfküste und Australien sowie Neuseeland eingerichtet. Und nach einer Pause von 18 Jahren ließ die Hamburg Süd ihre Frachter auch wieder regelmäßig zwischen den Ostküsten Nord- und Südamerikas hin- und herfahren.
    Die Vielfalt der Aktivitäten war zugleich eine Stärke und eine Schwäche der Oetker-Gruppe. Mochte die Gruppe manchem Außenstehenden auch als Sammelsurium erscheinen, änderte das nichts an der Tatsache, dass Rudolf-August Oetker das Familienvermögen vergrößert hatte. Als sich der Senior Anfang der achtziger Jahre aus dem aktiven Geschäft zurückzog, trat ohne Zweifel ein Ausnahmeunternehmer der deutschen Wirtschaft von der Bühne ab. Der Mann, der bei Beobachtern gerne den Eindruck erweckte, er blicke durch das von ihm geschaffene Konglomerat nicht recht durch (»Dat ist alles so kompliziert, dat kann einer allein char nicht mehr verstehen«), hatte sich als einer der großen Konzernarchitekten der Nachkriegszeit erwiesen – und zugleich als umsichtiger Kaufmann, der in keinem einzigen Jahr unterm Strich mit Verlust gearbeitet hatte.
    |298| Die hohe Diversifikation brachte den Vorteil mit sich, dass Oetkers gesammelte Firmen in Branchen operierten, deren Konjunkturen weitgehend unabhängig voneinander liefen. Verluste in einem Bereich konnten durch Gewinne in anderen Sektoren aufgefangen werden, ohne dass die Firmengruppe wie viele andere Unternehmen in allzu große Abhängigkeit der Banken geriet.
    Oetkers Leistung wird nicht durch die Tatsache geschmälert, dass die Bedingungen, unter denen er gewirtschaftet hatte, überaus günstig waren. In den wichtigsten Jahren seines Unternehmerlebens hatte er in der warmen Sonne eines Superbooms agieren können. Diese konjunkturelle Hochzeit hielt fast ein Vierteljahrhundert an. Sie reichte von 1950 bis zu den Ölkrisen der siebziger Jahre. Sucht man nach einer vergleichbaren Blütezeit in der Geschichte der deutschen Wirtschaft, so muss man zu den goldenen Jahren zwischen 1895 und 1914 zurückgehen – nicht zufällig also zu der Epoche, in der der Firmengründer August Oetker seine großen Erfolge hatte.
    Rudolf-August Oetker hatte sich während seiner Karriere auch eine Reihe kapitaler Fehler geleistet. Neben kleineren Verlusten, wie er sie bei seinem Ausflug in die Filmwirtschaft erlitten hatte, waren ihm auch sehr viel teurere Fehleinschätzungen unterlaufen. Der Versuch, in Deutschland und Italien eine völlig neue Biermarke namens Prinz Bräu zu kreieren, hatte viele Millionen verschlungen und war kläglich gescheitert. Die Pleite schmerzte Oetker besonders, weil er nicht wiederholen konnte, was sein Großvater geschafft hatte – einen bedeutenden Markenartikel zu schaffen.
    Der Bau einer Brauerei in Alaska 1967 erwies sich als Fehlinvestition, die rund 30 Millionen Mark kostete. Im Fluggeschäft hatte Oetker sich nicht halten können und die von ihm gegründete Condor an die Lufthansa verkauft. Mehrere Versuche des Unternehmers, sich neben all seinen Aktivitäten auch noch als Textilfabrikant zu etablieren, nähren den Verdacht, dass er phasenweise dazu neigte, sich selbst als ein Universaltalent zu überschätzen. Bei all diesen Pleiten und Fehlinvestitionen war es aber doch jedes Mal eine grandiose Untertreibung, wenn der Senior wieder einmal einem Gesprächspartner |299| klagte:

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