Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
der Wirkungskreis Guido Sandlers durch den Einstieg des jungen August Oetker. Sandler hatte seit vielen Jahren die Sparten Nahrungsmittel und Brauereien geführt und war damit in der Firmengruppe zum mächtigsten Mann nach dem Inhaber geworden.
Aber er bearbeitete das Feld, auf dem der Junior agieren wollte. Sandler, den das
manager magazin
einmal als eine »Mischung aus Musterschüler und Machiavelli« charakterisierte, musste einen Teil seiner Macht an August Oetker abgeben. Der Manager, den Firmensenior Rudolf-August Oetker seinen Freund nannte, tat das ohne Murren und nannte den Wechsel eine »ganz natürliche Sache«.
Für den Neuling fanden sich im Oetker-Reich einige Baustellen. Außer der Pleite mit Prinz Bräu, für die Sandler verantwortlich war, hatte auch der von ihm betriebene Einstieg in das Tiefkühlgeschäft nicht die erwarteten Erfolge gebracht. Über 100 Millionen hatte die Oetker-Gruppe investiert, um auf diesem Wachstumsmarkt dabei zu sein. Aber gegen den Marktführer Unilever (Langnese-Iglo), so schien es, kamen die Bielefelder einfach nicht an. Im Einzelhandel hatten sich die Oetker-Manager Sympathien verscherzt, weil sie immer wieder die Strategie gewechselt hatten. Eine Zeit lang hatten sie ein volles Sortiment gefrorener Speisen vertrieben – von der Eiskrem über Fischstäbchen bis hin zur Pizza. Dann gab es nur noch eine kleine Auswahl – bis die nächste Kehrtwende folgte.
Beobachter bemängelten, dass sich der traditionsreiche Konzern kaum erneuert hatte. »Sandler verzettelte Führungspotenzial und Kapital in Randaktivitäten, statt rechtzeitig die einst übermächtige Stammmarke für die achtziger Jahre zu rüsten«, bilanzierte das Wirtschaftsmagazin
Capital
1982. »Völlig verschlafen wurde nach dem Abebben der Fresswelle der Trend zur leichten und bequemen Kost.« Ein weiteres Versäumnis: Auf den europäischen Auslandsmärkten war die Oetker-Gruppe kaum präsent.
Auch die Marke »Dr. Oetker«, die durch den hellen Frauenkopf im |302| roten Oval symbolisiert wurde, hatte an Strahlkraft verloren. In den siebziger Jahren war Marie-Louise Haase als Leiterin der Versuchsküche die Vorzeigefrau der Firma geworden. Bei aller Popularität der kundigen Dame, die sich im Fernsehen souverän selbst darstellte, hatte sie der Marke letztlich ein konservatives, hausbackenes Image gegeben.
Der Junior ging seine Sache zaghaft an. Hatten die Oetker-Mitarbeiter und Beobachter des Bielefelder Unternehmens erwartet, dass August Oetker dem Konzern schnell einen neuen Kurs geben würde, sahen sie sich getäuscht. So behutsam ging der Neue zu Werke, dass ihm die Wirtschaftspresse bald »Konzeptionsschwäche« vorwarf. Immerhin übernahm er 1983 die Führung der Bielefelder Stammfirma, die neben Back- und Puddingpulver längst auch Kuchenmischungen und Desserts wie die populäre Rot-Wein-Creme produzierte und dabei auf Marktanteile zwischen 50 und 75 Prozent kam.
Wenn in Familienunternehmen die Führung auf die nächste Generation übergeht, ist häufig ein eigentümliches Phänomen zu beobachten. Der Inhaber wünscht einerseits, dass sein Sohn das Werk fortsetzt und sichert. Andererseits glaubt er aber insgeheim, dass niemand anders als er selbst dieser schwierigen Aufgabe gewachsen ist. Ein Versagen des Nachfolgers empfindet der Vorgänger zwar als Unglück, zugleich aber auch als eine Form der Auszeichnung. Denn das Scheitern bestätigt die Größe des Vorgängers und beweist dessen Einzigartigkeit.
Gegen solche Gedanken und Gefühle war Rudolf-August Oetker anders als viele andere Unternehmer seiner Generation weitgehend immun. Er wünschte den Erfolg seines Sohnes von ganzem Herzen. Das erklärt sich zum einen aus der Tatsache, dass er selbst bereits ein Unternehmer der dritten Generation war. Ihm war bewusst, dass seine Lebensleistung nicht einzigartig in der Familie Oetker war, sondern in einer Reihe stand mit den Erfolgen des Großvaters und des Stiefvaters. Wenn Rudolf-August Oetker sich als Mitglied des weit verzweigten Industriellenclans sah, dessen Stammbaum an der Wand seines Büros hängt, so fand er noch weitere Erfolgsunternehmer: den Textilfabrikanten Albert Oetker, den Marzipanproduzenten Louis C. Oetker |303| oder die in die USA ausgewanderten Dohmes, deren Pharmafirma später mit dem US-Konzern Merck fusioniert wurde.
In der Zeit des Übergangs schützte Rudolf-August Oetker seinen Sohn vor zu hohen Erwartungen an dessen unternehmerisches Talent, indem er seine eigene Leistung
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