Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
falls die Liquidität nicht reichen sollte.
Nahezu parallel zum Abbau seines deutschen Besitzes baute der BDI-Vizepräsident Oetker seinen Einfluss in der Schweiz aus. Als Oetker 1995 bei Hero eingestiegen war, hatte sein Vertrauter Lutz gegenüber Journalisten noch bestritten, dass eine volle Übernahme des Schweizer Unternehmens geplant sei. Im Lauf der folgenden Jahre kaufte Oetker aber gleichwohl mehrfach weitere Hero-Aktien hinzu. |355| Auch als er im Frühjahr 2002 den Mehrheitsbesitz an den Schwartauer Marken an die Schweizer Aktiengesellschaft verkaufte, ließ er sich einen Teil des Kaufpreises in Hero-Aktien bezahlen, die die Schweizer Gesellschaft zu dieser Zeit im Eigenbesitz hatte. Dabei kamen auf einen Schlag weitere 200000 Papiere in Oetkers Hände.
Im Februar 2003 kam der deutsche Industrielle noch einen entscheidenden Schritt weiter. Es gelang ihm, ein großes Hero-Aktienpaket aus dem Reich des hoch verschuldeten Schweizer Investors Martin Ebner zu erwerben. Mit dessen Anteil in Höhe von 15,3 Prozent erhöhte sich Oetkers Hero-Mehrheit auf rund 74 Prozent. Nun konnte Oetker aufs Ganze gehen. Es war eine günstige Gelegenheit, die Kleinaktionäre aus dem Schweizer Unternehmen zu drängen, und der Industrielle machte sich daran, die börsennotierte Aktiengesellschaft Hero in eine Privatfirma umzuwandeln.
Oetkers FIM AG, die im Steuersparkanton Zug residiert, bot allen anderen Aktionären der Hero im März 2003 an, ihre Papiere zu einem Preis zu kaufen, der um 18 Prozent über dem Börsenkurs der damaligen Zeit lag. Das schien vielen ein attraktives Angebot zu sein. In den folgenden Wochen gaben die meisten Hero-Aktionäre ihre Papiere an die FIM AG ab. Im Juni hatte die FIM AG gut 99 Prozent aller Hero-Anteile in ihrem Besitz. Damit konnte sie von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, die wenigen noch ausstehenden Aktien für kraftlos erklären zu lassen und den Börsenhandel zu beenden.
Auf diese Weise wurde die FIM AG zum alleinigen Inhaber des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns, der im Sommer 2003 immerhin weltweit 4895 Mitarbeiter beschäftigte. Es lohnt sich, einen näheren Blick auf die FIM zu werfen, die kein normales Unternehmen ist. Die FIM AG ist vielmehr eine Briefkastenfirma ohne irgendeine operative Tätigkeit. Ihr Briefkasten befindet sich in der Inneren Güterstraße 4 in Zug im gleichnamigen Schweizer Kanton.
Im kleinsten der Schweizer Kantone, der nur etwas mehr als 100000 Einwohner hat, gibt es Tausende Briefkastenfirmen wie die FIM AG. Der Grund: Zug ist eine Steueroase. Unternehmen müssen dort nur 16 Prozent ihres Gewinns an den Fiskus abführen, verglichen |356| mit 24 Prozent im Durchschnitt der anderen Schweizer Kantone. In Deutschland werden rund 40 Prozent des Gewinns an Unternehmenssteuern fällig.
2003 kam der Kanton Zug in die Schlagzeilen deutscher Zeitungen, als Boris Becker erklärte, dass er dorthin übersiedeln werde. Schon seit Jahrzehnten ist der Metro-Gründer Otto Beisheim in Zug ansässig. Anders als Becker und Beisheim hat sich Arend Oetker bislang nicht entschließen können, persönlich aus Berlin nach Zug umzusiedeln. Ein Grund dieser Sesshaftigkeit könnte sein, dass er als Steuerflüchtling seine Positionen als Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und als Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft würde aufgeben müssen.
In Zug ist Oetker bislang nur mit der FIM AG vertreten, die unter der Nummer CH-170.3.012.264-2 im Handelsregister steht. Die Aktien der FIM gehören zu 100 Prozent der Schwartau International GmbH mit Sitz in Bad Schwartau, wie aus den Unterlagen zum Kaufangebot an die Hero-Kleinaktionäre hervorgeht. Die Schwartauer Firma befindet sich wiederum vollständig im Besitz der AOH Nahrungsmittel GmbH & Co. KG, wobei AOH die Abkürzung für Arend Oetker Holding ist, deren Spitzengesellschaft in Berlin sitzt. Auch sie hat kein operatives Geschäft, sondern ist nur ein Vehikel ihres Eigentümers Oetker zur Verwaltung seines Vermögens.
Die Überführung der Hero in den Privatbesitz eines Investors stieß bei Aktionärsschützern auf heftige Kritik. Der Würzburger Wirtschaftsprofessor Ekkehard Wenger bezeichnete sie mit guten Argumenten als »unfair« gegenüber den Kleinaktionären. Denn Oetker hatte den Besitzern der Hero-Papiere im Frühjahr 2003, bei Licht betrachtet, alles andere als ein attraktives Angebot gemacht. Der Preis, den er ihnen offerierte, lag noch unter dem Tiefstkurs der
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