Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Hero-Aktie in den Jahren 1999 bis 2001. Oetker konnte es sich leicht erlauben, einen Aufschlag auf den aktuellen Börsenkurs zu zahlen, denn dieser war im Zuge des übertriebenen Börseneinbruchs extrem niedrig. Dabei hatte sich die Firma in letzter Zeit wirtschaftlich gut entwickelt. Der Betriebsgewinn war 2002 um mehr als 60 Prozent gestiegen.
|357| Ekkehard Wenger hielt Oetker auf der Aktionärsversammlung vor, dass er oder Verbündete in den zwölf Monaten vor ihrem Angebot erwiesenermaßen höhere Preise für Hero-Aktien gezahlt hatten, als sie den Kleinaktionären boten.
Oetker hatte natürlich gewusst, dass die Kleinaktionäre keine Chance gegen ihn hatten. Es würde ihnen gar nichts anderes übrig bleiben, als das Angebot anzunehmen, wenn sie nicht noch höhere Verluste erleiden wollten. Denn wer im Frühjahr 2003 nicht an Oetker verkaufte, der riskierte, auf Aktien sitzen zu bleiben, die bald darauf nicht mehr an der Börse gehandelt wurden. Anders als in Deutschland ist es in der Schweiz unzufriedenen Kleinaktionären nicht einmal möglich, Abfindungsangebote von Großaktionären vor Gericht überprüfen zu lassen. Für den Aktionärsrechtler Wenger ist der Fall Hero daher ein Musterbeispiel dafür, »wie man in der Börsenbaisse Kleinaktionäre preisgünstig aus Gesellschaften hinausdrängt, wenn in der Zukunft tatsächlich Erfolge zu erwarten sind«.
Der Stammsitz der Nahrungsmittelfirma in Bad Schwartau hat im Lauf der Jahre immer mehr an Bedeutung verloren. Zwar arbeiteten im Frühjahr 2002 nach Firmenangaben 800 Menschen in dem Werk. Sie tun dies aber seit dem Verkauf unter der Kontrolle eines Schweizer Konzerns. Die Musik spielt in Lenzburg, hier wird über Produkte, Werbekampagnen und Vertrieb entschieden.
In einer Pressemitteilung zum Verkauf des Schwartauer Markengeschäfts fand sich im März 2002 der Satz: »Die Betriebsstätte in Bad Schwartau entrichtet unverändert ihre Steuern an den deutschen Fiskus.« Das ist zwar richtig, aber ziemlich irrelevant. Bei internationalen Firmen kommt es darauf an, in welchem Land die Gewinne anfallen. Die Kunst der Finanzvorstände in den Konzernzentralen besteht darin, die Gewinne immer dort am höchsten ausfallen zu lassen, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. Ein beliebtes Mittel dazu sind die Preise, die für Zulieferungen und Dienstleistungen zwischen Konzerngesellschaften berechnet werden. Firmen an Hochsteuerstandorten sollen hohe Beträge zahlen, damit sie dem Fiskus hohe Kosten nachweisen können, während der Gewinn andernorts entsteht.
|358| Erstaunlicherweise ist es dem Industriellen Oetker gelungen, seine deutsch-schweizerischen Firmenverkäufe nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit zu machen. Dass der zweithöchste Repräsentant der deutschen Industrie das Schwergewicht seiner industriellen Aktivitäten schrittweise in die Schweiz verlegt hat, ist bislang kein Thema der politischen Debatte geworden. Selbst als nach der Ankündigung Theo Müllers und dem Wegzug Boris Beckers das Problem der Steuerflucht wieder kurzzeitig auf die politische Tagesordnung der Bundesrepublik kam, blieb der Fall Oetker unbeachtet.
Nur ein einziges Mal wurde Arend Oetker nach den Gründen seiner Abwanderung gefragt. Das Mittelstandsmagazin
Impulse
interviewte den BDI-Vizepräsidenten im Herbst 2003 für eine Titelgeschichte über das Steuersparen. Der Frager schnitt nach politischen Themen auch Persönliches an: »Sie selbst haben jüngst in der Schweiz investiert. Eine Flucht aus Deutschland?« Oetker formulierte wolkig: »In der Schweiz bot sich eine günstige Gelegenheit. Da habe ich zugegriffen. Ich verstehe mich als europäischer Unternehmer mit Sitz in Deutschland. Und ich gehe dorthin, wo die Märkte Erfolg versprechen und die Rahmenbedingungen stimmen. Das ist dann eine Entscheidung für einen Standort und nicht gegen Deutschland.« Von Steuern kein Wort.
Andere Mitglieder des Industriellenclans denken da patriotischer. So will Arends Cousin August Oetker auch in Zukunft den heimischen Standort nicht aufgeben. Als ihn die
Lebensmittel-Zeitung
auf das Beispiel des Molkereiunternehmers Theo Müller ansprach, antwortete August Oetker im November 2003: »Unser Standpunkt ist, wir wollen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Bielefeld bleiben. Hier ist ein guter Teil unserer Identität. Hier sind die Wurzeln, hier war die Gründung vor 112 Jahren. Daher: Ob der Steuerhebesatz ein bisschen höher ist oder welcher Couleur die Regierung der Stadt ist,
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