Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
in Deutschland expandieren wollte, verleibte sich lieber die Holsten-Gruppe (Holsten, König, Licher) ein. Auch die Manager der belgischen Interbrew-Gruppe, die schon Beck’s und Diebels übernommen hatten, winkten ab.
So kamen schließlich doch noch die Oetkers zum Zug. Im Februar 2004 übernahm der Konzern die Aktien von Brau und Brunnen für 220 Millionen Euro, einem immer noch hohen Preis. Aber nachdem auch Holsten verkauft worden war, hatten sich die Oetkers unter einem gewissen Zugzwang befunden. Zwei Jahre zuvor hatte sich die Familie entschieden, im Biergeschäft zu bleiben – und durch Zukäufe von Marken zu wachsen. Nachdem sie sich mit den Bankern einig geworden waren, boten die Oetkers den Kleinaktionären bei Brau und Brunnen an, deren Papiere zu einem Preis zu kaufen, der um 16 Prozent über dem Börsenkurs lag. Ihnen lag daran, ihre Neuerwerbung ganz für sich zu haben.
Durch diesen Kauf stieg die Familie Oetker mehr als 100 Jahre nach ihrem Einstieg in das industrielle Nahrungsmittelgeschäft zum größten Bierbrauer Deutschlands auf. Die beiden Brauereigruppen im Oetker-Besitz kommen gemeinsam auf einen Marktanteil von 15 Prozent. Die Kunden merken allerdings nichts von dieser Konzentration. Die Oetkers bieten ihr Bier unter einer Vielzahl traditionsreicher Marken an. So gehören zur Radeberger Gruppe neben dem gleichnamigen sächsischen Premiumbier auch Binding, Henninger Bräu, DAB (Dortmunder Actien-Brauerei), Ur-Krostitzer und Berliner Kindl. In Tschechien braut Radeberger ein Bier unter der Marke Krusovice, das als Beispiel böhmischer Braukunst auch auf dem deutschen Markt |362| etabliert werden soll. Clausthaler, der Marktführer unter den alkoholfreien Bieren, ist ebenso ein Oetker-Produkt wie das stark beworbene Schöfferhofer Weizen, das sich vor allem bei den Fans der Harald-Schmidt-Show eingeprägt haben dürfte.
Mit Brau und Brunnen erwarben die Oetkers eine Vielzahl weiterer gut eingeführter Biermarken, darunter Jever, Dortmunder Union, Brinkhoff’s Nr. 1 und Wicküler. Auch die Kölsch-Sorten Sion, Gilden, Küppers und Peters werden künftig unter der Regie der Bielefelder Unternehmerfamilie gebraut – ebenso wie Schlösser Alt, Schultheiss Pilsener und Tucher Bräu.
Beim Mineralwasser sitzen die Oetkers ebenfalls an der Quelle. Während Brau und Brunnen eine Reihe regional bekannter Wassermarken unter das Dach der Bielefelder Holding mitbrachte, hat die Radeberger Gruppe schon seit langem ein Unternehmen in ihrem Besitz, das sein Mineralwasser unter einem Namen vertreibt, der in Deutschland zum Synonym für dieses Getränk geworden ist – Selters.
Gemeinsam kommen die Oetker-Brauereien auf einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro und eine Mitarbeiterzahl von 6000. Gleichwohl wollen die Bielefelder Konzernstrategen im Biergeschäft noch weiter expandieren. »Wenn uns die richtige Marke im Inland angeboten wird, greifen wir zu«, kündigte Firmenchef August Oetker an. Auf dem deutschen Biermarkt strebt die Familie einen Anteil von 20 Prozent an. Noch besitzen die Bielefelder keine Brauereien im Saarland, in Schleswig-Holstein und den Stadtstaaten. Das soll sich ändern.
Durch ihre Firmenkäufe bauen die Oetkers ihr Engagement auf einem hart umkämpften Feld aus. Der Bierkonsum in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Das einstige Nationalgetränk ist vor allem bei jungen Leuten wenig gefragt. Während Wein und Mixgetränke als schick gelten, gilt Bier als das »Getränk der Großväter«, wie Experten der Unternehmensberatung Ernst & Young in einer Studie feststellten. Eine Konzentrationswelle hat die Branche erfasst, bei der neben den kleinen Regionalbrauereien nur wenige Großkonzerne übrig bleiben werden. In diesem Prozess spielen die Oetkers nach Einschätzung der
FAZ
bewusst die nationale Karte: »Es ist die Strategie der Gruppe, |363| mittelständischen Brauereien eine Alternative zum Verkauf an die ausländische Konkurrenz zu eröffnen.«
Im Vordergrund steht für die Familie wohl der Wunsch, ihr Engagement auf einem Markt aufzubauen, auf dem Marken nach wie vor eine große Rolle spielen. Kaum ein anderer Konzern hat auf diesem Feld eine ähnlich große Erfahrung wie die Bielefelder Gruppe. Radeberger-Chef Kallmeyer, der auch Generalbevollmächtigter der Holding August Oetker KG ist, kommentierte die Expansion in der Brauereiwirtschaft entsprechend: »Pils passt prima zu Pudding und Pizza.«
Die Gewichte im Oetkerschen Gemischtwarenkonzern haben sich merklich
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