Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
verschoben. Das Biergeschäft ist nun größer als die Nahrungsmittelsparte, die 2003 einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro verbuchte. Dabei spielen die Traditionserzeugnisse Puddingpulver und Backtriebmittel im Dr.-Oetker-Sortiment schon lange keine nennenswerte Rolle mehr. Andere Produkte bringen viel mehr Umsatz. Neben Kuchenmischungen, Desserts und Honig (Langnese) produziert die Firma unter der Marke Dr. Oetker inzwischen auch Crème fraîche und Müsli. Mit der Marke Costa ist Oetker außerdem Marktführer bei den tiefgekühlten Meeresspezialitäten. Überdies beliefert Oetker Kantinen, Krankenhäuser, Altenheime und andere Großabnehmer.
Der absolute Renner im Sortiment ist seit einiger Zeit Pizza. Mit einem Anteil von annähernd 40 Prozent ist Oetker Marktführer in Deutschland. Jeder vierte Euro, den die Oetkers heute mit Nahrungsmitteln einnehmen, stammt aus dem Verkauf von Tiefkühlpizzen. Gefrorenes Gebäck wie »Flambiata«, »Culinaria« und »Die Ofenfrische«, das Oetker in Wittlich an der Mosel und im mecklenburgischen Wittenburg produziert, ist nicht nur in deutschen Supermärkten ein Bestseller. In zahlreichen Ländern Osteuropas ist Oetker Marktführer bei Pizzen, in Norwegen, Finnland und Großbritannien steigen die Absatzzahlen kontinuierlich. Zwar haben die Bielefelder ihr Ziel wohl noch nicht erreicht, die größte Pizzabäckerei Europas zu sein. Sie stehen aber kurz davor. Selbst in Italien ist Oetker dem dortigen Marktführer dicht auf den Fersen.
|364| Die Pizzaproduktion der Oetkers ist ein Beispiel für die immer wieder zu beobachtende Tatsache, dass Familienunternehmen ihre Ziele zumeist mit größerer Ausdauer verfolgen als Kapitalgesellschaften, deren Aktionäre vom Management schnelle Erfolge einfordern. Die Oetkers haben hohe und lang andauernde Anlaufverluste in Kauf genommen, bis sie mit ihrer Tiefkühlsparte in die schwarzen Zahlen gelangt waren. »Der Erfolg hat uns Selbstvertrauen gegeben«, sagt August Oetker, und er meint damit wohl nicht zuletzt sich selbst. Der Konzern hat mit den Fertigpizzen bewiesen, dass er in der Lage ist, sich in seinem Stammgeschäft zu erneuern.
Für einen Nahrungsmittelhersteller wie Oetker ist es hierzulande allerdings schwer, zu wachsen. Hin und wieder gelingt den Bielefeldern der Zukauf eines Herstellers wie Onken, der Joghurt und Quarkspeisen produziert. Der Konsum bewegt sich in Deutschland bereits auf einem hohen Niveau und die Bevölkerung schrumpft. Deshalb hat das Unternehmen vor einiger Zeit seine Strategie geändert. Statt mit einer stetig steigenden Zahl von Produkten den deutschen Verbraucher zu versorgen, will Oetker jetzt mit einem kleineren Sortiment in mehr Ländern angreifen. Die Zahl der Produkte wurde von 700 auf 250 reduziert. »Bei tiefgefrorenen Erbsen konnten wir unsere Kompetenz nicht ausleben«, begründete August Oetker die Beschränkung.
Im Inland stehen die Dr.-Oetker-Produkte in einem Wettbewerb mit Eigenmarken, mit denen Discounter wie ALDI ihr Geschäft machen. Der Siegeszug der Billighändler, deren Umsätze in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen sind, macht den Markenartiklern das Leben schwer. In Zeiten schlechter Konjunktur greifen immer mehr Bundesbürger zu Handelsmarken, die im Schnitt um 45 Prozent billiger sind. Die Verbraucher wissen längst, dass viele dieser Artikel in den Fabriken von Markenherstellern produziert werden.
Die Oetker-Gruppe gehört zu den wenigen Nahrungsmittelherstellern in Deutschland, die nach wie vor keine No-Name-Produkte für Handelskonzerne anbieten. Über diese Frage haben Manager und Familienangehörige in Bielefeld in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert – das Ergebnis blieb stets dasselbe. »Meiner Meinung |365| nach darf es von uns nichts geben, was unseren eigenen Marken schaden könnte«, sagt August Oetker. Wenn der Käufer von Dr.-Oetker-Produkten erführe, dass diese unter anderen Namen billiger angeboten würden, fühlte er sich betrogen, glaubt der Unternehmer.
Mit Marken kann Oetker mehr Geld verdienen, wie Augusts Halbbruder Alfred in seiner Dissertation erklärte: »Eine branchenweit anerkannte Marke bindet ihre Abnehmer an ihre Produkte und Dienstleistungen und reduziert die Preissensibilität. Sie sichert damit hohe Ertragsmargen für die Zukunft und errichtet Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber.«
Eine Gefahr droht von einer anderen Seite. Die Marke Dr. Oetker hat in den vergangenen Jahren offenbar an Glanz
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