Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Hausfrauen, welche Wert auf die Qualität legen, nur verwandt. Der niedrige Preis macht es einer jeden möglich.«
Tatsächlich war der Preis von zehn Pfennig, gemessen an der damaligen Kaufkraft, außerordentlich hoch. Aber es gelang ihm offenbar, bei seiner Kundschaft den Eindruck zu erwecken, das Backpulver sei mit der gleichen wissenschaftlichen Akribie hergestellt worden wie ein Arzneimittel und dabei ganz ohne Nebenwirkungen.
Die Botschaft erreichte schnell ihre Bielefelder Adressatinnen. Ein echter Doktor hatte sich dazu herabgelassen, die Alltagsprobleme der Hausfrau zu lösen. Das machte Eindruck beim Publikum – und das sollte es auch. Oetker verkaufte von Anfang an kein profanes Hilfsmittel, sondern Gesundheit und Qualität. Darin lag eine überaus raffinierte Werbepsychologie, die nur deshalb heute nicht stärker ins Auge springt, weil sie seither so oft kopiert worden ist. In dieser Strategie |56| lag die eigentliche Großtat des jungen Unternehmers August Oetker, der kein genialer Forscher oder großer Lebensmittelchemiker war, sondern ein besonders begabter Marketingmann. So verteilte er auch, um sein Produkt bekannt zu machen, kostenlose Proben an die Kundschaft.
Überdies gab der einfühlsame Apotheker den Kundinnen schon bei seinen ersten Verkäufen sein Wissen gratis dazu. Er schrieb zwei Rezepte für Sonntagskuchen, eines für einen Gugelhopf und eines für eine Sandtorte. Damit verfolgte er vermutlich auch das Ziel, die Hausfrauen zu erziehen, Kuchen mit großen Mengen Fett, Zucker und Gewürzen zu backen. Denn dann kam der Beigeschmack des Backpulvers nicht durch.
Anfänglich verkaufte Oetker sein Backpulver nach amerikanischem Vorbild in Blechdosen, die 250 Gramm enthielten. Der Deckel der Dose diente zum Abmessen und fasste genau die Menge, die für ein Pfund Mehl nötig war. Bald kam Oetker auf die Idee, sein Produkt in kleine Papiertütchen abzupacken. Das hatte mehrere Vorteile. Für den Händler entfiel das lästige Abwiegen im Laden, wenn die Kundin nur eine kleine Menge wollte. Und die Portionierung erleichterte der Hausfrau die Handhabung. Somit stieg die Chance, dass der Kuchen auch tatsächlich gelang und die Kundin zufrieden war. 20 Gramm enthielten die kleinen weißen Beutel mit der schwarzen Schrift. Es war eine geniale Geschäftsidee. Denn die geringe Abgabemenge erlaubte einen Preis, der den Kundinnen klein erschien, für ihn selbst aber einen hohen Gewinn bedeutete.
Von Anfang an vertrieb der Apotheker sein Backpulver unter dem Herstellernamen »Dr. Oetker«. Auf diese Weise setzte er das große Ansehen, das der akademische Stand damals genoss, als Mittel der kommerziellen Werbung ein. Das war ein geschickter Schachzug. »Er konnte die Ehrfurcht und das Vertrauen, die ein solcher Titel im 19. Jahrhundert hervorrief, für seinen Absatz nutzen«, schreibt Hans-Gerd Conrad in seiner Dissertation über die Dr.-Oetker-Werbung. »Denn was von einem gelehrten Mann, einem Wissenschaftler stammte, konnte, so die Annahme, nicht schlecht sein.« Die Leute wussten |57| ja nicht, dass der Apotheker Oetker den akademischen Grad als Botaniker erworben hatte.
Doch auch damit war August Oetker nicht so innovativ, wie es Firmenchroniken in späteren Jahren glauben machen wollten. Konkret beim Backpulver gab es dafür längst ein Vorbild. So hatte der Liebig-Schüler und Harvard-Professor Horsford schon 1854 mit einem Geschäftspartner in den USA ein Unternehmen gegründet, das ein neuartiges Backpulver produzierte. Vertrieben wurde es unter der Marke »Professor Horsford’s Phosphatic Baking Powder«. Dieser Markenname könnte ein Vorbild für Dr. Oetker gewesen sein. Dass August Oetker recht gut darüber Bescheid wusste, was auf dem amerikanischen Markt lief, ist verbürgt. Über Louis Dohme hinaus, der ihn auf dem Laufenden hielt, las der Apotheker auch Zeitschriften aus Großbritannien und den USA, aus denen er sich Anregungen für die Werbung holte.
Als August Oetker 1891 begann, sein Backpulver an Bielefelder Hausfrauen zu verkaufen, war er damit keineswegs ein Pionier in Deutschland. Die Kundinnen kauften bis dahin Produkte, die aus England und den USA importiert wurden. Aber Dr. Oetkers Produkte überzeugten durch Qualität. Der Absatz lief bald so gut, dass Oetker begann, Helfer einzustellen. In einem Nebengebäude auf dem Hof der Apotheke mischten Mitarbeiter nun die von ihm vorbereiteten Bestandteile nach schriftlicher Anleitung zusammen.
Die Absatzerfolge der Aschoffschen
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