Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Sogar Alkoholika zählten zum Sortiment des Apothekers.
Als Oetker nach Bielefeld kam, hatte die Stadt rund 45000 Einwohner, auf die inklusive der Aschoffschen vier Apotheken kamen. Als bald darauf ein fünfter Apotheker eine Konzession erhielt, beschwerten sich die anderen beim zuständigen preußischen Ministerium. Oetker hatte sich hoch verschuldet und sah nun seine Umsatzchancen beeinträchtigt. Doch offensichtlich war er unter den Apothekern der Stadt derjenige, der das beste Geschäft machte. Ein Schreiben des Ministeriums belegt, dass es »der Apotheker Dr. Oetker verstanden hat, seinen Geschäftsumsatz auf Kosten der vorgenannten benachbarten Apotheken zu erhöhen«. Ähnliches befürchteten Oetker und seine Kollegen nun erneut. Doch große Eintracht scheint unter den vier Apothekern nicht geherrscht zu haben. Oetker nahm sie als Konkurrenten wahr und begegnete ihnen nur ungern. In 13 Jahren nahm er nur ein einziges Mal an einer Versammlung des Apotheker-Kreisverbandes Minden-Ravensberg teil.
In einem Hinterzimmer der Apotheke machte Dr. August Oetker erste Experimente zur Herstellung von Backpulver. Das Metier war ihm vertraut, als Junge war er oft in der Backstube des Vaters gewesen. Er wusste, dass der Brotteig aufgelockert werden musste, wenn er nicht zu hart werden sollte. Wasser und Mehl allein ergaben einen harten Brocken. Man konnte einen Sauerteig oder Hefe nehmen, um den Teig aufzulockern. Aber das war umständlich. Da es im Grunde darum ging, dass während des Backens Gase entstanden, war schon Mitte des 19. Jahrhunderts in England die Idee aufgekommen, dem Teig Substanzen beizumischen, die Kohlendioxyd entwickeln. In Deutschland hatte sich bereits einige Jahrzehnte vor Oetker der Chemiker Justus von Liebig mit der Materie beschäftigt. Der forschende Freiherr, der an der Universität in Gießen und später in München lehrte, hatte die englischen Methoden studiert und eigene Rezepte geschrieben. Das Mittel |52| hatte allerdings eine geringe Haltbarkeit und war umständlich anzuwenden.
Pioniere bei der industriellen Fertigung von Backpulver waren Fabrikanten in England und den USA. Eine entscheidende Rolle spielte dabei ein junger Amerikaner namens Eben Norton Horsford, der zwei Jahre in Gießen bei Liebig studiert hatte. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten im Jahre 1846 hatte er an der Universität in Harvard gelehrt und geforscht. Wie seinem deutschen Lehrmeister Liebig, der neben der chemischen Düngung auch den Fleischextrakt erfunden hatte, ging es Horsford bei seiner Arbeit um praktische Fortschritte im menschlichen Leben. So gelang es ihm, ein Backpulver herzustellen, das im Wesentlichen aus Natron bestand, dem Weinsäure beigemischt wurde. In wenigen Jahren wurde er damit zum Millionär. Da er sich auf die Arbeiten Liebigs gestützt hatte, zahlte er dem Gelehrten eine Lizenzgebühr.
Louis Dohme berichtete seinem jungen Verwandten August Oetker in Deutschland, dass dieses Produkt bei den amerikanischen Hausfrauen auf große Nachfrage gestoßen war. Oetker hat in späteren Jahren eingeräumt, dass er die erste Anregung zur Herstellung von Backpulver von Dohme bekommen hatte. Vielleicht war es aber mehr als nur ein Hinweis. Als Dohmes in den USA lebende Großnichte Frances Dohme Cockey 1987 eine Familienchronik verfasste, schrieb sie lapidar über ihren Großonkel und ihren Großvater Charles, der ebenfalls an der Pharmafirma Sharp & Dohme beteiligt gewesen war: »Louis und Charles schickten ihre Formel für Backpulver an ihren Cousin, Robert Oetker, der in Westdeutschland lebte. Das machte sie zu einer der reichsten Familien Deutschlands, so gut kam es an.«
Woher sie das wusste, schrieb die alte Dame allerdings nicht. Vermutlich war es in ihrer Familie so überliefert worden. Allerdings nennt sie als Empfänger der Backpulverrezeptur einen Robert Oetker. Der war ein Cousin des Bielefelder Apothekers August Oetker und ein Patensohn Dohmes. Robert Oetkers Verhältnis zu den US-Verwandten war noch enger als das Augusts gewesen, er war in den Jahren um 1890 sogar einmal zu Besuch in den USA gewesen.
Louis Dohme (hinten Mitte), der Onkel aus den USA. Vorn rechts sitzt Robert
Oetker, der die Dohmes häufig besuchte und möglicherweise die Rezeptur für
Backpulver nach Deutschland mitbrachte.
Robert Oetker war sechs Jahre jünger als sein Vetter August in Bielefeld. Welchen Weg er beruflich einschlug, ist nicht überliefert. Es ist denkbar, dass die Dohmes ihre Rezeptur mit der
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