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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Bitte an ihn schickten, sie an August Oetker weiterzuleiten. Es ist aber auch möglich, dass Frances Dohme Cockey die deutschen Verwandten einfach durcheinander brachte und in Wahrheit August Oetker meinte.
    Die Oetker-Firmenchroniken erzählen jedoch eine andere Geschichte. Demnach unternahm der junge Apotheker seine Experimente zur Entwicklung von Backpulver unter geradezu konspirativen Umständen. Statt das mit großem Aufwand modernisierte Laboratorium zu benutzen, habe er sich in ein vier Quadratmeter kleines Nebenzimmer zurückgezogen, heißt es in einer Chronik: »In diese Klause, die in der Familie scherzhaft die ›Geheimfabrik‹ genannt wurde, zog sich der Doktor zurück, wenn er Backpulverversuche machte. Er wollte sich nicht in die Karten gucken lassen; aus diesem Grund bediente er sich bei seinen ersten Versuchen auch keiner Hilfe, sondern machte alles allein.« Nur seine Frau habe Zugang zu dieser »Butze« gehabt.
    |54| Diese Geschichte klingt merkwürdig. Denn unstrittig ist, dass August Oetker das Backpulver nicht erfunden hat. Als er seine Apotheke übernahm, konnten die Hausfrauen in den Bielefelder Kolonialwarenhandlungen schon ein Teigtriebmittel bekommen, das aus den Vereinigten Staaten kam. Wenn es sich bei Oetkers Erzeugnis nicht um eine bloße Kopie des US-Produkts gehandelt haben sollte, ist nicht einsichtig, warum er zur Weiterentwicklung des bereits eingeführten Produkts nicht das Labor seiner Apotheke benutzen wollte. Es ist denkbar, dass die Geschichte von den Geheimversuchen in den Anfangsjahren des Unternehmens schlicht erfunden worden ist, um den Eindruck zu erzeugen, August Oetker sei ein Forscher gewesen.
    Das war er aber sicher nicht, wie auch Ceslaw Sawicki 1981 in einer Forschungsarbeit für die Universität Bielefeld im Detail nachgezeichnet hat. Was die Entwicklung des Backpulvers angehe, seien August Oetkers Verdienste »auf ein Minimum beschränkt, es sind weder wissenschaftliche noch innovative nennenswerte Erfolge zu verzeichnen«, so Sawicki. »Sogar das von ihm angemeldete Patent für Backpulver (mit dem ebenfalls patentierten Herstellungsverfahren) ist in kürzester Zeit verfallen und offensichtlich nie industriell angewandt worden.«
    Doch davon völlig unbeirrt, heißt es noch im Jahr 2002 im Vorwort einer Rezeptsammlung aus dem Hause Dr. Oetker: »In der Hinterstube einer Bielefelder Apotheke fing im Jahr 1891 alles an: Der junge Apotheker Dr. August Oetker hantierte bis spät in die Nacht mit Apothekerwaage, Mörser und verschiedenen Pülverchen. Was er da in hartnäckiger Forschungsarbeit entwickelte, revolutionierte das Backen: das Backpulver Backin – genau die richtige Menge für ein Pfund Mehl!«
    Wenn überhaupt, dann fanden August Oetkers Laborexperimente von Außenstehenden gänzlich unbemerkt statt. Irgendwelche Aufzeichnungen oder Rezepturen wurden nie gefunden. Auch der Autor einer Jahrzehnte später herausgegebenen Unternehmensgeschichte musste passen: »Wie viel Versuche mit mancherlei Mischungen Dr. A. Oetker gemacht hat, ehe er 1891 sein Backpulver anzeigte und verkaufte, wissen wir nicht. Ebenso wenig hat sich die Zusammenstellung des |55| Backpulvers von 1891 ermitteln lassen, da Dr. A. Oetker wohl niemand Einblick in diesen Zweig seiner Arbeit gewährt hat.«
    Durch Dritte verbürgt sind dagegen die Versuche in einer Bäckerei in der Bielefelder Obernstraße. Der Apotheker hatte mit dem Bäcker Müller eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit geschlossen. Oetker war daran interessiert, seine Mittel in der Praxis zu testen. Nachmittags zwischen drei und fünf Uhr spazierte er zur Bäckerei, in der Tasche einige Papiertütchen voller Pulver. Unter Oetkers Aufsicht rührte der Bäcker oder ein Gehilfe den Inhalt eines Tütchens mit einem Pfund Mehl an und buk daraus kleine dünne quadratische Plätzchen. Der Apotheker blieb stets so lange in der Backstube, bis die Plätzchen erkaltet waren und er sie gemeinsam mit dem Bäckermeister probieren konnte. Einige Wochen dauerte die erste Versuchsreihe, dann gab es eine halbjährige Pause. In dieser Zeit experimentierte Oetker vermutlich mit Geschmacksstoffen. Bald ging er bei seinen Versuchen in der Bäckerei zu Kuchen über.
    Schon im ersten Jahr nach seiner Ankunft in Bielefeld bot der Apotheker ein Backpulver an, das er in starken Worten bewarb: »Die Zusammensetzung meines Backpulvers ist die denkbar beste, frei von allen schädlichen Beimitteln, von stets gleicher Beschaffenheit, und wird von allen

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