Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
beim Patentamt in Berlin eingetragen wurde. Noch im gleichen Monat erschien im
Hannoverschen Anzeiger
ein Inserat mit dem Text: »Ein heller Kopf verwendet nur Dr. Oetker’s Backpulver à 10 Pf., weil es das beste ist.«
In den Jahren vor der Jahrhundertwende packten seine Helfer in der Apotheke täglich 30 Postpakete und zehn bis zwölf Kisten, die per Bahn an Händler im Kaiserreich geliefert wurden. Der Apotheker ließ nichts unversucht, um auf seine Erzeugnisse aufmerksam zu machen. Berlin war der wichtigste Markt. Auf einer Kochkunstausstellung präsentierte Oetker mehrere Kuchensorten, die mit seinem Backpulver |61| gebacken worden waren, und erhielt eine Auszeichnung. Sogar die Mutter des Kaisers ließ sich von der Messeleiterin die Vorzüge von Dr. Oetker’s Backpulver erläutern. Zwei Jahre später heimste Oetker auf einer Kochkunstausstellung in Hamburg eine Goldmedaille ein. Bald darauf berichtete er in einer Zeitungsanzeige, dass sein Backpulver zum Sieger bei einem vergleichenden Warentest gekürt worden sei. Oetker hatte ein gutes Gespür dafür, wie wichtig die Werbung im Wirtschaftsleben war. Ständig war er mit neuen Ideen beschäftigt, wie er seine Produkte bekannt machen konnte. »Er träumte von Werbung«, sagte einer seiner frühen Mitarbeiter.
Der rührige Apotheker hatte damals noch einige andere Sachen in seinem Sortiment. Er vertrieb eine Einmachhilfe auf der Basis von Salizylsäure. Und er hatte eine Maisstärke auf den Markt gebracht, die zum Sämigmachen von Saucen gedacht war, aber auch als Kindernahrung genutzt wurde. Dem Produkt hatte er in Abwandlung seines Vornamens die Bezeichnung »Gustin« gegeben. Das sollte in den Ohren seiner Kundinnen ebenso beeindruckend wissenschaftlich klingen wie »Backin«, der Name des Backpulvers.
Spätestens seit 1894 mischte August Oetker auch Puddingpulver. Die Faltschachteln zum Preis von zehn Pfennig enthielten die nötige Menge für vier Personen. Wie beim Backpulver war der Unternehmer einem Trend aufgesprungen. Er hatte die Schwächen der bereits vorhandenen Angebote untersucht und dann seine eigenen Rezepturen entwickelt. Entscheidend war für ihn, dass sein Pulver so beschaffen war, dass die Hausfrauen bei der Zubereitung möglichst wenig falsch machen konnten.
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5. »Zeitvernichtung ist Lebensvernichtung«
August Oetker und seine Backpulverfabrik
Z u den Einsichten, die August Oetker zeitlebens faszinierten, gehörte der Satz: »Meist genügt eine gute Idee, und der Mann ist gemacht.« Auf ihn selbst traf er zu. Als sich das 19. Jahrhundert dem Ende zuneigte, war der Apotheker ein gemachter Mann. Er ging auf die 40 Jahre zu und hatte mit Schläue und Wagemut ein gut gehendes Geschäft aufgebaut. Oetker schämte sich seiner geschäftlichen Erfolge nicht, im Gegenteil. Jeder sollte erfahren, wie gut die Dinge in seinem Unternehmen vorangingen. Einmal ließ er in einer Zeitungsanzeige ein Schreiben der Firma abdrucken, die ihm die kleinen Papiertütchen für das Backpulver lieferte. Deren Inhaber hatte dem Apotheker schriftlich bestätigt, dass dieser zehn Millionen Beutel bestellt hatte. Diese Auskunft ergänzte Oetker in seinem Inserat mit den Worten: »An die Stelle unwürdiger Marktschreierei setze ich Tatsachen obiger Art, welche beweisen, wie außerordentlich beliebt mein Backpulver bei den Hausfrauen ist.«
Die Nachfrage hatte er zu einem beträchtlichen Teil selbst geschaffen. In vielen Haushalten lagen bereits Rezepthefte des umtriebigen Apothekers. Bis 1900 hatte Oetker allein 200000 Exemplare seiner »Grundlagen der Kochkunst« verschenkt und eine noch größere Zahl weiterer Broschüren über Pudding, Milchspeisen und Stärke herausgebracht, die er bei mehreren Autorinnen in Auftrag gegeben hatte.
In weniger als einem Jahrzehnt war August Oetker so wohlhabend geworden, dass er sich eine Villa auf dem Bielefelder Johannisberg errichten lassen konnte. Durch den Umzug der Familie wurden im Haus der Apotheke Räume für die Backpulverherstellung frei. Die Leitung |63| der Apotheke hatte Oetker inzwischen abgegeben. Er sah sich bereits als Fabrikanten, als einen Produzenten von industrieller Massenware.
Nun fehlte nur noch die Fabrik. August Oetker erwarb ein Grundstück an der Bielefelder Lutterstraße. Dort stand zu dieser Zeit bereits eine Fabrik für Herrenwäsche und es gab eine Fahrradbahn, in deren Nachbarschaft Flächen frei waren. Oetker beauftragte einen Architekten mit der Planung eines neuen
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