Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Hotels. Weil manche Gäste die Reservierungen ignorierten, kam der für den Keppler-Kreis zuständige SS-Mann auf die Idee, den Saal mit einem Respekt gebietenden Schild freizuhalten, auf dem stand: »Reserviert für den Freundeskreis Reichsführer SS.«
Kranefuß nahm die Bezeichnung sogleich auf, denn sie entsprach genau seinen Zielen. Der Keppler-Kreis wurde deutlich aufgewertet, und er bekam einen mächtigen Mentor: Heinrich Himmler. Der SS-Chef übernahm seinerseits die ihm angetragene Rolle gerne. Himmler witterte in dem Zirkel aus Industriellen und Bankmanagern eine Möglichkeit, seine Macht auszuweiten. Dabei hatte er an wirtschaftspolitischen Ratschlägen nicht das geringste Interesse. Seine Absicht war vielmehr, der SS durch die Gründung eigener Betriebe ein wirtschaftliches Fundament zu geben. Es war wichtig, dafür Vertraute und Verbündete in der Wirtschaft zu gewinnen. Himmler sorgte sogleich dafür, dass der Leiter der SS-Wirtschaftsverwaltung Oswald Pohl in den Kreis eintrat. Eine ganze Reihe weiterer höherer SS-Führer kam fortan zu den Zusammenkünften.
Wie gelangte Richard Kaselowsky in den Freundeskreis Himmler? Ausschlaggebend für die Aufnahme des Oetker-Chefs in den Zirkel der Himmler-Freunde dürfte seine Rolle beim Verkauf der
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im Jahr 1935 gewesen sein. Nach der Machtergreifung war die Zeitung sofort auf die neue Linie eingeschwungen. Viele Artikel strotzten vor hasserfülltem Antisemitismus. |140| Nachdem die Zahl der jüdischen Rechtsanwälte in Bielefeld im April 1933 auf zwei beschränkt worden war, hatten die
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einen mit Berufsverbot belegten Juristen verhöhnt: »Was werden Sie nun machen ohne diese dicken Honorare?« Dem Ausgegrenzten wurde der Bergbau empfohlen: »Dortmund soll eine ganze Anzahl Kohlengruben in seiner näheren und weiteren Umgebung haben. Ob da kein Platz für Sie wäre? Schipp, Schipp, Hurra!«
Die regionalen NSDAP-Fürsten hatten schon früh ein Auge auf die gut gehenden
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geworfen. Die Zeitung erfreute sich einer großen Leserschaft und hatte ein florierendes Anzeigengeschäft. Das parteieigene
NS-Volksblatt für Westfalen
schrieb dagegen rote Zahlen. Wie die meisten lokalen Parteiblätter war es schlecht gemacht und für den normalen Leser langweilig. Nach der Machtergreifung waren zwar Abonnementbestellungen aus Behörden und von Geschäftsleuten eingegangen, die sich den neuen Herren empfehlen wollten, doch das reichte nicht. So entstand in der Führung des Gaus Westfalen-Nord der Plan, das
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mit den
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zu fusionieren.
Eine Abgabe ihrer Zeitung bedeutete für die E. Gundlach AG einen herben Verlust. Vorstand und Aufsichtsrat waren nicht erfreut von der Aussicht, sich von diesem Zeitungsgeschäft zu trennen. Auf einer Sitzung des Aufsichtsrats am 9. August 1935 stand das Ansinnen der Parteioberen auf der Tagesordnung. Eine schlichte Ablehnung des Übernahmewunsches kam zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in Frage, weil der Aufsichtsratsvorsitzende Kaselowsky bereits anders entschieden hatte.
Der Oetker-Chef wollte den mächtigen Parteifreunden behilflich sein. Für die Fusion hatte sich sogar Hitlers Stellvertreter eingesetzt. Rudolf Heß hatte Kaselowsky darum gebeten, die
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der Partei zur Verfügung zu stellen. Das Protokoll der Gundlach-Aufsichtsratssitzung vermerkt, dass Kaselowsky »auf alle Fälle wünschte, dass ein Weg gesucht werde, um die Wünsche der Partei über ein Zusammengehen der beiden Zeitungen zu erfüllen«.
|141| Die Diskussion kreiste daher nur noch um die Modalitäten des Zeitungsverkaufs. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, wie nach der Abgabe der
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die Druckmaschinen der E. Gundlach AG ausgelastet werden könnten. Eine Lösung war in Sicht. Der Gundlach-Vorstand hatte gerade eine kleine Fachzeitschrift gekauft und er verhandelte mit zwei weiteren Zeitschriften, die bis dahin in der Druckerei des
NS-Volksblatts
gedruckt worden waren.
Am 14. August 1935 wechselten die
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den Eigentümer. Die Zeitung wurde mit dem
NS-Volksblatt
zusammengelegt, erschien aber weiterhin unter ihrem angestammten Namen. Kaselowskys Kurs bei der Fusion wurde von den Parteiführern honoriert. Der Presseamtsleiter des NSDAP-Gaus Westfalen-Nord Arno Schröder kommentierte den Zusammenschluss einige Jahre
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