Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
später so: »Dank dem Verständnis und dem selbstlosen Entgegenkommen des Parteigenossen Dr. Kaselowsky kam es zu der von Gauleiter Dr. Meyer erstrebten Vereinigung der
Westfälischen Neuesten
Nachrichten
mit dem
NS-Volksblatt
und damit zur Gründung eines auch wirtschaftlich stark fundierten Gauorgans für das östliche Westfalen.«
Diese Formulierung deutet darauf hin, dass die E. Gundlach AG für die Tageszeitung von der NSDAP 1935 keinen Kaufpreis erhalten hat. Für diese Annahme spricht auch, dass in späteren Firmenchroniken des Unternehmens nicht von einem Verkauf der
Westfälischen Neuesten
Nachrichten
die Rede ist, sondern von einer »Übergabe«, eine nicht ganz freiwillig gegebene Sachspende also. Richard Kaselowsky und die E. Gundlach AG durften aber hoffen, von den politischen Machthabern auf andere Weise entschädigt zu werden. So erhielt Gundlach bald darauf beispielsweise den Druckauftrag für das
Gaublatt
der Nationalsozialistischen Frauenschaft und des Deutschen
Frauenwerkes Westfalen-Nord
.
Das NS-Regime bot deutschen Verlegern schon in den ersten Jahren nach der Machtergreifung besondere Geschäftschancen. Unter den jüdischen Unternehmern wurden im »Dritten Reich« als erste die Verleger |142| aus dem Wirtschaftsleben verdrängt. Jüdische Presseunternehmer wurden unter Druck gesetzt, bis sie die von ihnen herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften an so genannte Arier verkauften. Auch die E. Gundlach AG war höchst interessiert, sich solche Objekte einzuverleiben, wie aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom August 1935 hervorgeht. Dort heißt es im Zusammenhang mit dem angestrebten Ersatz für die
Westfälischen Neuesten Nachrichten
: »Wir verhandeln darüber hinaus mit drei nicht-arischen Verlegern, die ihre Zeitungen abgeben müssen.«
Anders als es in späteren Firmengeschichten dargestellt wurde, ging die Gundlach-Zeitung 1935 nicht vollständig in Parteieigentum über. Vom Tag der Fusion an sollten noch fünf Jahre vergehen, in denen die E. Gundlach AG an der Zeitung wirtschaftlich beteiligt blieb, die nun laut Untertitel »Amtliches Organ der NSDAP und sämtlicher Behörden« war. Erst 1940 stieg das Unternehmen ganz aus, wie Dokumente belegen. »Seit dem 1. Juli 1940 sind die
Westfälischen Neuesten Nachrichten
100-prozentig in den Besitz der NSDAP übergegangen«, meldete Gaupresseamtsleiter Arno Schröder im selben Jahr.
Eine Erklärung für den Ausstieg zu diesem Zeitpunkt könnte darin liegen, dass die E. Gundlach AG mittlerweile entschädigt worden war. Sie hatte mehrere »Zeitschriften aus nicht-arischer Hand im Gebiet der Ostmark« hinzukaufen können, also jüdisches Eigentum im Gebiet des 1938 angeschlossenen Österreichs.
Ohne Zweifel war es Richard Kaselowsky mit der Abgabe der
Westfälischen Neuesten Nachrichten
gelungen, sich die örtlichen Parteifürsten gewogen zu machen. Gauleiter Alfred Meyer würdigte den Unternehmer bei einer Feierstunde mit den Worten: »Wenn heute hier im Minden-Ravensberger Land die Partei über dieses große, stolze, schöne Organ verfügen kann, dann dankt sie es in erster Linie Ihnen, Parteigenosse Dr. Kaselowsky.«
Wie er später berichtete, zeigte sich der Gauleiter 1935 unter anderem dadurch erkenntlich, »dass wir den Pg. Dr. Kaselowsky als den Betriebsführer im Gau Westfalen-Nord dem Führer als Ehrengast für die großen jährlichen in Nürnberg stattfindenden Parteitage vorgeschlagen |143| haben«. Adolf Hitler habe den Oetker-Chef dann Jahr für Jahr eingeladen, so Meyer in einer Rede vor der Belegschaft der Nahrungsmittelfabrik.
Vor allem der Nürnberger Parteitag im Jahr 1935 sollte als ein herausragendes Ereignis in die NS-Geschichte eingehen. Auf Anordnung Hitlers waren kurzfristig zwei Gesetze ausgearbeitet worden, die der Reichstag anlässlich des Parteitags am 15. September 1935 beschloss. Diese Nürnberger Gesetze waren das so genannte Reichsbürgergesetz, das die Bürgerrechte auf »Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes« beschränkte, und das »Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre«, das die Heirat von Juden mit »Ariern« verbot.
Der genaue Zeitpunkt des Beitritts von Richard Kaselowsky zum Freundeskreis Himmler ist nicht überliefert. Aber es spricht manches dafür, dass der Oetker-Chef schon 1935 oder 1936 in Nürnberg Anschluss an den exklusiven Zirkel fand. Eine erhalten gebliebene Anschriftenliste aus dem Jahr 1939 enthält den Namen Kaselowsky als eines von zu
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